Ratgeber für erfolgreiches Inkasso in der Schweiz

(Forderungsinkasso gemäss Zivilprozessordnung 2011, Text zu einer Veranstaltung vom 11. März 2014)

von Dr. iur. HSG Christian Alexander Meyer, licencié spécial en droit européen ULB; Rechtsanwalt

I.        Gliederung

Forderungsinkasso gemäss Zivilprozessordnung 2011

I.       Gliederung

II.        Vorbemerkung

III.        Schlichtungsverfahren für Forderungsstreitigkeiten

IV.     Ordentliches und vereinfachtes Verfahren

V.     Summarisches Verfahren, besonders für provisorische Rechtsöffnung

VI.     Aberkennungsklage

VII.      Rückforderungsklage (Art. 86 SchKG)

VIII.     Rechtsschutz in klaren Fällen

IX.     Berufung und direkte Vollstreckung

X.     Vorzeitige Verwertung

XI.     Literatur

XII.      Musteranträge

II.        Vorbemerkung

(1)       Diese Unterlagen erläutern kurz die Verfahren gemäss der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) wie sie seit 2011 gelten und im Rahmen der Zwangsvollstreckung Anwendung finden. Dabei steht das Forderungsinkasso im Vordergrund.

(2)       Damals wurde die Prozessordnung und damit das Verfahren gesamtschweizerisch vereinheitlicht, nicht aber die Gerichtsorganisation. Diese ist und bleibt kantonal geregelt mit entsprechenden Unterschieden. In den Kantonen Zürich, Bern, Aargau und St. Gallen gibt es ein Handelsgericht, in den übrigen Kantonen nicht. Einen guten Überblick über die unterschiedlichen Gerichte in der Schweiz findet sich unter http://zivilgerichte.ch/. Für die Verfahren heisst das, dass die Kantone, die eher schriftlich organisiert waren, wie etwa der Kanton Zürich, der Drang zur Schriftlichkeit bleibt. In anderen Kantonen wird rasch zur Hauptverhandlung und damit zum mündlichen Verfahrensteil zitiert, etwa in Bern nach einem Schriftenwechsel. Abschwächen werden sich derartige Unterschiede wohl sobald eine neue Generation Juristen folgt, die einzig die neue ZPO kennen.

(3)       Die organisatorischen kantonalen Unterschiede bleiben deshalb weiterhin bestehen. Die jeweilige Organisation ist gemäss der kantonalen Gesetzgebung dazu geregelt. Für Zürich gilt das Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) vom 10. Mai 2010 (OS 211.1). In jedem Kanton gibt es dazu eine entsprechendes Gesetz.

(4)       Für den Rechtssuchenden heisst das, dass er sich mit den lokalen Gegebenheiten vertraut machen muss. Es kann durchaus ratsam sein, sobald man seinen Fall vorbereitet hat, etwas mit dem Friedensrichter in einem Kanton, in dem man zum ersten mal einen Streit hat, zu telefonieren, und zu fragen, wie man sich am besten für die Verhandlung vorbereitet, um Überraschungen zu vermeiden. Natürlich gehört es auch zur guten Vorbereitung zu versuchen, die Position der Gegenseite möglichst neutral einzuschätzen.

(5)       Die ZPO 2011 unterscheidet zwischen ordentlichem und vereinfachtem Verfahren.

(6)       Der ordentliche Prozessweg wird streitwertabhängig entweder als

  • ordentliches (IV.2) oder bei einem Streitwert unter CHF 30‘000 als
  • vereinfachtes Verfahren bezeichnet (IV.3).

(7)       Dem besseren Verständnis des ordentlichen Prozessweges dienen die Hinweise zum:

  • Schlichtungsverfahren (sogleich III),
  • Rechtsschutz in klaren Fällen (VIII),
  • Rechtsmittel der Berufung (IX.1) und
  • Fragen der Vollstreckung (IX.3) sowie
  • zur vorzeitige Verwertung (X).

(8)       Selbstverständlich kann ein Forderungsprozess in den meisten Fällen auch vor einem Schiedsgericht erstritten werden, wenn sich die Parteien darauf geeinigt haben. Dies sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt (Art. 353 ff. ZPO).

(9)       Die berufsmässige Vertretung in Zivilprozessen ist in Art. 68 ZPO geregelt, der seinerseits auf Art. 27 Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG verweist. Die Regelung der gewerbsmässigen Vertretung in Zwangsvollstreckungsverfahren gemäss Art. 27 SchKG bleibt weiterhin den Kantonen überlassen (BGE 138 III 396). Im Zivilprozess gilt grundsätzlich das Anwaltsmonopol. Für die Vertretung in der Zwangsvollstreckung werden dagegen etwa auch Rechtsagenten zugelassen. Aktuell ist eine Motion RUTSCHMANN pendent. Der Bundesrat schlägt dazu vor, dass jedermann vor den Gerichten auch gegen Entgelt eine Partei berufsmässig vertreten kann in summarischen Zwangsvollstreckungs-Verfahren (Art. 27 SchKG i.V. m. Art. 251 ZPO). Das mag ein interessantes neues Geschäftsfeld werden, für Treuhänder oder Inkassofirmen. Dennoch ist Vorsicht geboten, ohne die nötigen Kenntnisse zu prozessieren.

(10)     Das Schwergewicht dieser Unterlage liegt auf dem Forderungsinkasso. Arbeitsrechtliche oder mietspezifische oder gar familienrechtliche (Art. 271 ff., 295 ff., 305 ff. ZPO) Verfahrensfragen werden nicht behandelt. Auf Betreibungsfragen wird im Rahmen der Rechtsöffnung Bezug genommen. Weitere betreibungs- und konkursrechtliche Verfahrensfragen werde nicht behandelt.

(11)     Achten Sie auf die Besonderheiten der Zustellung eines Zahlungsbefehls etwa bei verheirateten Schuldnern in Gütergemeinschaft (Art. 68a SchKG) oder bei gesetzlicher Vertretung (Art. 68c SchKG). Zwei Zahlungsbefehle oder Zustellung an den Vertreter.

(12)     Gemäss Konsumkreditgesetz KKG sind verschiedene Bestimmungen zwingender Natur. Jedes Kreditinstitut tut gut daran, diese Bestimmungen genau einzuhalten und insbesondere die Kreditfähigkeit des Konsumenten genau zu prüfen, andernfalls kann das hingegebene Darlehen oder der finanzierte Vertrag gefährdet und die zughörige Forderung schlechter durchsetzbar oder verloren sein. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung helfen nicht immer weiter (Art. 15 Abs. 2 KKG) oder sind gar ausgeschlossen (Art. 32 KKG). Tritt etwa der Ehegatte als Solidarschuldner hinzu, muss auch dessen Kreditfähigkeit geprüft werden.

(13)     Bei der Kreditvergabe ist also Sorgfalt für den Vertrag geboten. Hier liegen zusätzliche Risiken neben der Beurteilung der Kreditfähigkeit des Schuldners. Zu achten ist auf das Zinsmaximum, die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters etc. Meldepflichten. Ergänzend sei auf Art. 8 UWG zur Verwendung missbräuchlicher allgemeiner Geschäftsbedingungen verwiesen. Bei der Rückforderung von Konsumkrediten nach Rücktritt mag es sinnvoll sein, dem Gericht die Rücktrittsklausel gemäss Art. 18 KKG zu erklären.

(14)     Die Engländer sagen, der Anwalt, der sich selbst vertritt, hat einen Narren zum Klienten. Achten Sie auf die Emotionen, gerade wenn Sie in eigener Sache arbeiten. Sind Sie befangen? Gehört derjenige der den Vertag macht auch zum Inkassoteam? Es gehört zu einer der wichtigsten Aufgaben, eines Anwaltes, eine Partei unabhägnig zu beraten. Dazu zählt auch, sie vor ihren eigenen Emotionen zu warnen.

(15)     Die folgenden Ausführungen gelten generell für jeden Zivilprozess. Die Verfahren gemäss ZPO sollen aber rund um die Rechtsöffnung erklärt werden. Das erleichtert das Verständnis im Rahmen jedes Inkassos.

(16)     Für die definitive Rechtsöffnung gemäss Art. 80 SchKG und die provisorische Rechtsöffnung gemäss Art. 82 SchKG ist das summarische Verfahren vorgesehen (Art. 251 ZPO). Wenn Sie also ein rechtskräftiges Urteil oder eine schriftliche Schuldanerkennung besitzen, wählen Sie den Weg der Rechtsöffnung (Art. 251 und Art. 252 ff. ZPO). Bei Darlehen oder Kreditverträgen gilt etwa, dass Sie den Vertrag und die Bestätigung der Darlehens- oder Kredithingabe und eine Mahnung zeigen müssen, wenn der Schuldner in der Betreibung Rechtsvorschlag erhoben hat, um das summarische Verfahren wählen zu können. Details folgen (V.).

(17)     Steht der Weg zur Rechtsöffnung nicht offen oder unterliegt der Gläubiger mangels tauglichem definitivem oder provisorischem Rechtsöffnungstitel, muss er seine Forderung meist auf dem ordentlichen Prozessweg geltend machen.

(18)     Umgekehrt, wenn die Rechtsöffnung gestützt auf einen provisorischen oder definitiven Rechtsöffnungstitel erteilt wurde, kann der Betriebene sich dagegen zur Wehr setzen. Das Gesetz sieht dafür drei Möglichkeiten vor:

  1. Er kann innert zwanzig Tagen auf Aberkennung klagen (V., Art. 83 Abs. 2 Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG) oder
  2. jederzeit im ordentlichen Verfahren den Nichtbestand oder
  3. die Stundung einer Forderung feststellen lassen.

(19)     Der Richter hebt die Betreibung auf, wenn er auf Nichtbestand der Forderung erkennt (Fall 2 vorstehend). Er stellt sie ein, wenn die Forderung gestundet ist (Fall 3 vorstehend), alles gemäss Art. 85a Abs. 3 SchKG. Hat der Betriebene gar die Nichtschuld bezahlt, kann er innerhalb eines Jahres auf Rückforderung klagen (VI., Art. 86 SchKG). Das ist eine weitere Korrekturmöglichkeit.

(20)     Damit haben Gläubiger und Schuldner in der Rechtsöffnung immer den Ausweg über das ordentliche Verfahren im Auge zu behalten. Nun folgen die Erläuterung der einzelnen Verfahren.

III.        Schlichtungsverfahren für Forderungsstreitigkeiten

  1. Empfehlung

(21)     Die Vorbereitung eines Schlichtungsverfahrens wird wesentlich durch die Verwendung der Formulare, welche die Friedensrichterämter zur Verfügung stellen, erleichtert. Wichtig ist, dass man den eigenen Fall gut und soweit möglich vollständig dokumentiert: Vertrag, Brief- oder E-Postverkehr in Kopie einreichen und den Sachverhalt kurz zusammenfassen: Auf der Web-Site der Friedensrichter kann man einen Wegweiser und ein Formular herunterladen: http://www.friedensrichter-zh.ch/formulare.html. Andere Kantone haben vergleichbare Internet Portale.

(22)     Bei vorgängiger Betreibung mit Rechtsvorschlag ist es hilfreich, den Zahlungsbefehl mit dem Rechtsvorschlag auf der Rückseite in Kopie miteinzureichen, wenn man den normalen Zivilprozessweg geht, statt alternativ die bereits kurz angesprochene provisorische Rechtsöffnung zu verlangen (dazu sogleich, vgl. V. Summarisches Verfahren).

(23)     Im Kreditgeschaft geht es meist um Kapital, Zins und Verzugszins. Achten Sie darauf, das immer genau zu spezifizieren, wenn Sie die einzelnen Positionen auf dem Rechtsweg durchsetzen: Beim Zins ist der Zinsfuss und der Tag zu nennen, von dem an der Zins gefordert wird. Ein Dokument, das die Behauptung stützt ist hilfreich. Der geforderte Verzugszins ist immer mit einer Mahnung zu belegen (Art. 102 Obligationenrecht, OR), der Verzugszins gemäss Gesetz beträgt 5% (Art. 104 Abs. 1 OR). Wurde etwas anders zulässig vereinbart, ist dies zu belegen (Art. 104 Abs. 2 OR). Die Gerichte nehmen nur zurückhaltend Verfalltagsgeschäfte an, bei denen der Verzug automatisch eintritt. In einer Betreibung nur für Zins ist dieser als Hauptschuld zu beziffern (ein Beispiel, wie man es nicht machen sollte finden Sie unter: BGE 81 III 50f.).

(24)     Neben den Friedenrichterämtern kennt die Zürcher Gerichtsorganiation auch noch die Schlichtungsbehörden in Miet- und Pachtsachen oder die paritätische Schlichtungsbehörde gemäss Gleichstellungsgesetz (§ 52 GOG).

  1. Grundsatz und Ausnahmen

(25)     Der Gang zur Schlichtungsbehörde ist in den Art. 197 ZPO geregelt. Ziel des Verfahrens sind Vermögensstreitigkeiten bis zu einem Streitwert von CHF 2‘000 endgültig zu entscheiden (Art. 212 ZPO) und bis CHF 5‘000 einen Urteilsvorschlag zu bekommen (Art. 210 ZPO).

(26)     Für die meisten SchKG-Verfahren entfällt das Schlichtungsverfahren (Art. 198 Abs. 1 e ZPO), so für

  1. Aberkennungsklage (Art. 83 Abs. 2 SchKG),
  2. Feststellungsklage (Art. 85a SchKG),
  3. Widerspruchsklage (Art. 106–109 SchKG),
  4. Anschlussklage (Art. 111 SchKG),
  5. Aussonderungs- und Admassierungsklage (Art. 242 SchKG),
  6. Kollokationsklage (Art. 148 und 250 SchKG),
  7. Klage auf Feststellung neuen Vermögens (Art. 265a SchKG),
  8. Klage auf Rückschaffung von Retentionsgegenständen (Art. 284 SchKG).

(27)     Das Schlichtungsverfahren entfällt auch beim Gang vor die einzige kantonale Instanz, etwa das Handelsgericht oder bei einem Immaterialgüterstreit (Art. 5, 6 und 198 ZPO).

(28)     Weil die richterlichen Aufhebung oder Einstellung einer Betreibung nach Art. 85 SchKG im summarischen Verfahren läuft, entfällt auch dafür die Schlichtung (Art. 198 Abs. 1 Bst. a und Art. 251 Abs. 1 Bst. c ZPO).

(29)     In der vorstehenden Aufzählung der Ausnahmen ohne Schlichtungsverfahren hat der Gesetzgeber die paulianische Anfechtungsklage (Art. 285 SchKG) vergessen. Das heisst, die paulianische Anfechtung ist grundsätzlich via Schlichtung zu führen.

(30)     Die Parteien können allerdings gemeinsam auf die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens verzichten, wenn der Streitwert über CHF 100‘000 liegt. Der Kläger kann darauf verzichten und direkt klagen, wenn der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat oder sein Aufenthaltsort unbekannt ist (Art. 199 ZPO).

(31)     Mit Zustimmung aller kann Mediation an die Stelle der Schlichtung treten (Art. 213 ZPO und sogleich III.6).

(32)     Für die „Forum runner“ gemäss Lugano-Übereinkommen wichtig ist, dass ein Streit mit Einreichung des Sühnebegehrens rechtshängig gemacht wird (Art. 62 ZPO).Wird später ein zweites Gericht zur gleichen Sache angerufen, muss dieses den Prozess aussetzen, bis das erst über seine Zuständigkeit entschieden hat. (Art. 27 Lugano Übereinkommen).

  1. Verfahren vor der Schlichtungsbehörde

(33)     Das Verfahren beginnt mit dem Schlichtungsgesuch (mündlich), oder der schriftlichen Eingabe an die Behörde (Art. 130 und 202 ZPO). Stichworte sind Rechtsbegehren, Gegenpartei und Streitgegenstand. Innert zwei Monaten kommt es zur Verhandlung (Art. 203 ZPO). Die Parteien müssen persönlich erscheinen (Art. 204 ZPO). Werden Sie von einem Anwalt oder einer Vertrauensperson begleitet, ist die Gegenpartei darüber zu informieren (Art. 204 ZPO). Das Verfahren ist abgesehen vom Entscheid oder Urteilsvorschlag vertraulich (Art. 204 ZPO).

(34)     Wichtig: die ZPO sieht vor, dass die Schlichtungsbehörde einen Urteilsvorschlag oder einen Entschied fällen „kann“. Deswegen ist immer ein solcher Antrag zu stellen, die Schlichter oder Friedensrichter machen von sich aus keinen Urteilsvorschlag oder einen Entscheid (Art. 210 und 212 ZPO), obwohl sie mit Blick auf Art 208 ZPO und eine Verfahrenserledigung oft versuchen eine Einigung unter den Parteien herbeizuführen.

  1. Erledigung

(35)     Der Schlichter wird also auf Antrag einen Urteilsvorschlag bis CHF 5‘000 (Art. 210 ZPO) unterbereiten oder bis CHF 2‘000 eine Entscheid fällen (Art. 212).

(36)     Der Urteilsvorschlag kann eine kurze Begründung enthalten und gilt als angenommen, wenn er nicht innert 20 Tagen durch schriftliche Erklärung abgelehnt wird (Art. 211 ZPO). Der nicht abgelehnte Vorschlag wird zum vollstreckbaren Urteil (Art. 80 Abs. 2 SchKG) und damit zum definitiven Rechtsöffnungstitel.

(37)     Das Urteil bis CHF 2‘000 ergeht immer nur auf Antrag. Dagegen sind Beschwerde und Revision, nicht aber die Berufung möglich (Art .308 Abs. 2 ZPO).

(38)     Die gerichtliche Einigung wird protokolliert in der Form von Vergleich, Anerkennung oder Rückzug (Art. 208 ZPO). Dies führt zu einem rechtkräftigen Entscheid. Ein solch rechtskräftiger Entscheid (Vergleich, Anerkennung) ist bekanntlich ein definitiver Rechtsöffnungstitel (Art. 80 Abs. 2 SchKG).

(39)     Bei Nichteinigung oder Ablehnung des Urteilsvorschlages oder wenn die beklagte Partei nicht erscheint, stellt der Schlichter die Klagebewilligung aus (Art. 209 ZPO). Das entspricht der Weisung nach alter Zürcher ZPO (alt § 100 Zürcher ZPO).

  1. Verweis

(40)     Der Verband der Friedensrichterinnen und Friedensrichter des Kantons Zürich betreibt eine Homepage mit wichtigen Erklärungen und Hilfestellungen, sowie Formularen und einer lesenswerten Wegleitung zum Herunterladen: www.friedensrichter-zh.ch.

  1. Abgrenzung zur Mediation

(41)     „Mediation ist ein auf Freiwilligkeit der Parteien beruhendes Verfahren, bei dem ein Vermittler (Mediator) ohne Entscheidungsgewalt (im Gegensatz zum Schiedsrichter), die Kommunikation zwischen den Parteien systematisch mit dem Ziel fördert, eine von den Parteien selbst verantwortete Lösung ihres Konfliktes zu ermöglichen.“ (HOPT/STEFFEKE, Mediation, Tübingen 2008, S. 12, Klammerbemerkungen hinzugefügt). Andere Formen sind die Schiedsgerichtsbarkeit, eben mit Entscheidgewalt, oder auch sogenannte permanente Streitbeilegungsgremien oft in Grossprojekten. Beispiel auf einer Grossbaustelle bilden Ingenieure, und Fachleute mit Juristen und Kostenkontrolleuren ein Team, das bei Problemen als Ansprechgremium dient und rasch Lösungen vorschlägt, oft auch mit Entscheidkompetenz. Dies ermöglicht einen fast verzögerungsfreien Projektfortgang trotz Problemen, die immer auftreten können.

(42)     Gewisse Streitfragen sind für die Aussöhnung via Mediation besser geeignet. Dazu zählen etwa Bau- oder Nachbarrechtsfragen. In Deutschland werden innerbetriebliche Fragen die ganze Konzern oder Teile davon betreffen durch Mediation begleitet.

(43)     Die Mediation kann auf Antrag sämtlicher Parteien an die Stelle der Schlichtung treten (Art. 213 ZPO). Vorab wählen die Parteien diesen Weg selten und im Streit hat immer eine Partei weniger Interesse zu irgendeinem Verfahrenspunkt freiwillig etwas zu vereinbaren. Der Schlichter kann das Verfahren auf gemeinsamen Antrag aussetzen und die Parteien an einen Mediator verweisen. Art. 213 ff. ZPO. Er sistiert das Verfahren für maximal ein Jahr. Die Partein haben über den Ausgang zu berichten und bekomme im Falle des Scheiterns dann die Klagebewilligung (Art. 213 Abs. 3 ZPO). Die unabhängige Mediation ganz ohne Schlichter gibt es nicht (Art. 213 Abs. 2 ZPO). Zumindest kann man ohne Schlichter gemäss ZPO auch keine Klagebewilligung bekommen.

(44)     Für klassische Forderungsstreitigkeiten ist die Mediation ungeeignet. Hier kann der Friedensrichter normalerweise in ein bis zwei Stunden eine Lösung mit den Parteien erarbeiten und oft auch einen Vergleich erzielen oder einen Urteilsvorschlag machen.

(45)     Der Präsident des Zürcher Friedensrichterverbandes hat im März 2014 nach über drei Jahren mit der neuen ZPO nur von einem Fall der Mediation Kenntnis.

  1. Exkurs Schiedsgerichtsbarkeit

(46)     Die Schiedsgerichtsbarkeit erlaubt es auch vollstreckbare Urteile zu erlangen. Die Parteien können also statt zum stattlichen Richter zu einem Schiedsrichter oder einem Schiedsgericht gehen. Hinweise zum Verfahren finden sich im dritten Teil der ZPO, Art. 353 ff. oder unter www.swissarbitration.org.

(47)     Dies wird oft in der Industrie zum Voraus gewählt, um allenfalls einer besonderen Vertraulichkeit Rechnung zu tragen. In der Pharmaindustrie etwa für die Geheimhaltung von Verfahrensfragen zur Wirkstoffentwicklung. Ein Schiedsverfahren ist in der Regel rascher als ein staatliches Gerichtsverfahren mit den jeweiligen Rechtsmitteln. Die Parteien können ihre Richter selber mitbestimmen oder gewisse Qualifikationen definieren. International ist es manchmal für die anschliessende Vollstreckung etwa in arabischen Ländern besser zum Schiedsgericht statt zum staatlichen Richter zu gehen. Für die internationale Vollstreckung gibt es etwa das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958, das von zahlreichen Ländern ratifiziert worden ist. Die Streitwerte sollten aber eine gewisse Höhe haben, dass sich das auch lohnt.

(48)     Es gibt allerdings auch sogenannte Statusfragen die nicht schiedsfähig sind: Etwa der Vaterschaftsprozess oder die Scheidung. Die finanziellen Folgen einer Scheidung dagegen sind durchaus im Rahmen von Art. 279 ZPO schiedsfähig.

(49)     Schliesslich ist für die Vollstreckung innerhalb Europas immer ein Blick auf das Lugano Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu beachten.

  1. Exkurs Ombudsleute

(50)     Bei branchenspezifischen Problemen oder zwischen Bürger und Staat kann manchmal der Gang zur Obudsstelle helfen. Ombudsleute sind in der Regel Personen, die die branchenspezifischen Probleme kennen und versuchen zwischen den Fronten zu vermitteln. Beispiele im Tourismus: www.ombudsman-touristik.ch oder in der Bankenbranche: www.bankingombudsman.ch.

(51)     Für den Ombudsmann im Kanton Zürich lautet die Umschreibung: Der Ombudsmann ist ein vom Kantonsrat gewählter neutraler Mittler zwischen Bürger und Verwaltung. Er setzt sich für den Schutz der Rechte von Bürgerinnen und Bürgern ein und ist von den Behörden und der Verwaltung unabhängig. Der Ombudsmann ist kein Parteienvertreter und darf darum nicht mit dem Rechtsanwalt oder der Rechtsanwältin verwechselt werden. Der Ombudsmann unterstützt das kundenfreundliche und transparente Verhalten der Verwaltung.

IV.     Ordentliches und vereinfachtes Verfahren

  1. Vorbemerkungen zum ordentlichen Zivilprozess zur Erlangung eines vollstreckbaren Titels oder um ein SchKG-Verfahren zu beenden

(52)     Das ordentliche Verfahren regelt Art. 219 ff. ZPO: Das vereinfachte Verfahren bis zu CHF 30‘000 ist in den Art. 243 ff. ZPO beschrieben.

(53)     Rat für das einfache Verfahren: Geben Sie schriftlich nur das Rechtsbegehren bekannt und liefern Sie keine Begründung (Art. 245 ZPO), sonst drängen Kantone mit Hang zur Schirftlichkeit ins schriftlich Verfahren statt direkt zur Verhandlung zu zitieren.

(54)     Teilklagen waren früher verpönt, heute sind sie ein gutes Mittel um Kosten gering zu halten und im einfachen Verfahren zu streiten. Man kann aus einer Gesamtforderung über CHF 30‘000 nur einen Teilbetrag unter CHF 30‘000 fordern (Art. 58 und 86 ZPO), etwa CHF 20‘000 aus einem Darlehen von CHF 50‘000 oder nur einen Teil der verfallenen Rückzahlungsraten. Das Risiko besteht, dass die Gegenseite dann eine Widerklage auf den Gesamtbetrag einbringt. Andernfalls kann das vereinfachte Verfahren so gewählt werden.

(55)     Das Gerichtsverfahren hat mit Blick auf die Zwangsvollstreckung zwei Aufgaben: Positiv regelt es den normalen Forderungsprozess auf Anerkennung und Bezahlung. Läuft bereits ein SchKG-Verfahren zielt das Verfahren negativ, bei Nichtbestand der Forderung, auf Aufhebung oder, wenn die Forderung gestundet ist, auf Einstellung der Betreibung gemäss Art. 85a SchKG. Bis 2011 galt für die negative Feststellungsklage das beschleunigte Verfahren (alt Art. 85a Abs. 4 SchKG), seither gilt das ordentlichen oder vereinfachten Verfahren.

(56)     Gemäss SchKG sind die Verfahren, die auf einen Vollstreckungstitel oder die Beendigung eines SchKG-Verfahrens abzielen, je nach Streitwert in einem dieser Verfahren zu führen. Ebenso die Fälle, in denen das SchKG die Parteien an den Richter verweist (vgl. positiv die Aufzählung in Art. 198 Abs. 1 e ZPO und Art. 251 ZPO für das Gegenteil): Dazu zählen die Aberkennungsklage (vgl. auch V), die negative Feststellungsklage gemäss Art. 85a SchKG, die Rückforderungsklage (vgl. auch VI), Widerspruchsklage (Art. 106-109 SchKG), Anschlussklage (Art. 111 SchKG), Aussonderungs- und Admassierungsklage, Kollokationsklage, Klage auf Feststellung neuen Vermögens (Art. 265a Abs. 4 SchKG; nicht aber der Entscheid über das Vorliegen neuen Vermögens, der summarisch ergeht, Art. 251 Abs. 1 Bst. d ZPO, Art. 265a Abs. 1-3 SchKG) und die Klage auf Rückschaffung von Retentionsgegenständen, die alle, je nach Streitwert, im ordentlichen oder vereinfachten Verfahren zu führen sind. Zur Erinnerung: Mit der Revision des Erwachsenenschutzrechts im Schweizerischen Zivilgesetzbuch wurde die Anschlussklageberechtigung gemäss Art. 111 SchKG neu formuliert (AS 2011 773 f., in Kraft seit dem 1. Januar 2013).

(57)     Die Rollenverteilungen ergeben sich jeweils aus der Konstellation des zu führenden Verfahrens und des zugrundeliegenden Sachverhaltes. Normalerweise verteilt das Betreibungsamt die Rollen. Dabei kann es auch schon mal vorkommen, dass nicht ganz klar ist, wer nun gegen wen was zu unternehmen hat (Art. 106-109 SchKG). Das kann dann dazu führen, dass sich jemand in der Angriffsrolle findet, der eigentlich hätte verteidigen können: Beispiel: Forderung gegen Erbschaft, Vermögen gepfändet bei der Bank. Ein eingesetzter „Estate“ ausländischen Rechts und dessen „Trustee“ machen Eigentum des Estate am Pfandgegenstand (Vermögen bei der Bank) kraft ausländischen Erbrechts geltend. Schwer zu sagen wer was macht im Lichte von Art. 107 und 108 SchKG? Gegen die Rollenverteilung und die Fristansetzung kann zwar Beschwerde nach Art. 17 SchKG geführt werden. Da die SchKG-Beschwerde bekanntlich nur auf besondere Anordnung hin suspensiv wirkt (Art. 36 SchKG), tut man gut daran, gleichzeitig fristgerecht zu klagen, und notfalls die „falsche“ Rolle zu akzeptieren.

(58)     Zu beachten ist, dass man jeweils nur einmal einen ordentlichen Prozess in derselben Konstellation führen kann. Andernfalls steht die Einrede der abgeurteilten Sache einem neuen Verfahren entgegen („res iucicata“). Das ergibt sich aus der materiellen Rechtskraft eines bereits geführten Prozesses, der eine gleiche oder eine gegenteilige Klage ausschliesst.

(59)     Seit 2011 können die Eingaben an die Gerichte in elektronischer Form eingereicht werden (Art. 130 ZPO). Dafür notwendig ist eine digitale Signatur. Die bekommt man etwa bei der Post: www.post.ch/suisseid. Man muss die Eingabe an eine speziell dafür eingerichtete Plattform der jeweiligen Behörde senden: Der Bund veröffentlich dazu eine Zustelladressübersicht: http://www.ch.ch/behoerden/02243/02306/index.html?lang=de. Die Gerichte können verlangen, dass die Eingabe noch in Papierform nachgereicht wird. Der Kanton Thurgau etwa hat 2013 ein Testporttal für elektronische Eingaben eingerichtet und akzeptiert nun die elektronische Übermittlung von Eingaben: www.erv.tg.ch.

(60)     Auch das SchKG kennt neu elektronisch übermittelte Eingaben (Art. 33a SchKG), Mitteilungen, Verfügungen und Entscheide (Art. 34 SchKG). Kantonale Unterschiede bei den Plattformen sind wohl speziell zu beachten. Gewissen Kosten können aber gespart werden (dazu GUYAN/HUBER, Elektronischer Rechtsverkehr nach VeÜ-ZSSchK, AJP, 2011, s. 74 ff.). Der Titel ist etwas schwerfällig. Die Abkürzung meint „Verordnung über die elektronische Übermittlung im Rahmen von Zivil- und Strafprozessen sowie von Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren“ (SR 272.1). Beim Bund finden Sie dazu auch einen Online-Betreibungsschalter. Schliesslich kennt auch das Bundesgericht ein Reglement über den elektronischen Rechtsverkehr mit Parteien und Vorinstanzen vom 5. Dezember 2006 (SR 173.110.29).

(61)     Für ordentliches und vereinfachtes Verfahren verlangen die Gerichte heute in der Regel eine Kaution von der klagenden Partei (Art. 98 ZPO), und auf Antrag eine Sicherheit für die Parteientschädigung der Gegenseite (Art. 99 ZPO). Entscheide über die Leistung von Vorschüssen und Sicherheiten unterliegen der Beschwerde. Die „Kann“-Vorschrift für den Gerichtskostenvorschuss ist in den meisten Kantonen zur Regel geworden.

(62)     Bedürftige Personen haben Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege (Art. 117 ZPO) und damit auf Befreiung von Gerichtskosten und Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes. Seit 2011 können theoretisch auch juristische Personen von dieser Unterstützung profitieren. Zuvor war das Bundesgericht der Meinung, dass etwa eine AG nicht arm oder bedürftig sein könne, höchstens zahlungsunfähig oder überschuldet.

(63)     Schliesslich muss der Kläger immer ein schutzwürdiges (tatsächliches) Interesse am Streit haben (Art. 59 Abs. 2 Bst. a ZPO).

(64)     Exkurs zur Abgrenzung ordentliches/vereinfachtes Verfahren: Das vereinfachte Verfahren soll bei geringerem Streitwert die Rechtsdurchsetzung vereinfachen. Was passiert wenn ein Beklagter im ordentlichen Verfahren eine Widerklage erhebt, die aufgrund des Streitwertes im vereinfachten Verfahren zu führen wäre? Es gibt dazu zwei Lehrmeinungen. Die eine besagt, dass das nicht in einem Verfahren vereinbar sei. Die andere, dass das schon möglich sein sollte. In der Praxis wurden derartige Verfahren bereits vereinigt.

(65)     Für typische SchKG Sachen gilt das summarischen Verfahren (Art. 248 ff. ZPO), wie etwa für die Rechtsöffnung. Davon sind das ordentliche und das vereinfachte Verfahren zu unterscheiden, die wir nun näher betrachten.

  1. Ordentliches Verfahren

(66)     Erforderlich ist ein Streitwert der über CHF 30‘000 liegt. Darunter kommt das vereinfachte Verfahren zu Zug.

(67)     Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus dem SchKG, Art. 46 ff. Soweit dort nichts geregelt ist, gilt die ZPO wiederum Art. 46 ZPO. Die Übereinstimmung der Artikel ist eine willkommene Eselsbrücke! Als Regel gilt der Wohnsitz oder Sitz, aber mit mehr Auswahlmöglichkeiten als früher.

(68)     Die Regelung der sachlichen und funktionalen Zuständigkeit der Gerichte ist den Kantonen vorbehalten (Art. 4 ZPO). Die ZPO macht Vorschriften für eine einzige kantonale Instanz, etwa bei Streitigkeiten aus geistigem Eigentum (Art. 5 ZPO), und für die Handelsgerichte (Art. 6 ZPO) aktuell in den Kantonen Aargau, Bern, St. Gallen und Zürich.

(69)     Bis zur neuen ZPO 2011 galt in Zürich, dass ein Geschäft einer im Handelsregister eingetragenen Person vermutungsweise ein Handelsgeschäft war (§ 62 Abs. 2 des alten Zürcher Gerichtsverfassungsgesetztes). Mit Inkrafttreten der schweizerischen ZPO ist dagegen im Zweifel gerade keine Handelssache gegeben. Ein Handelsstreit gemäss einheitlicher ZPO basiert auf der geschäftlichen Tätigkeit mindestens einer Partei, die Parteien sollen im Handelsregister eingetragen sein und die Beschwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht muss offen stehen (Art. 6 ZPO, Art. 74 BGG, Streitwert: CHF 30‘000, CHF 15‘000 in Arbeits- und Mietstreitigkeiten). Der Kläger, der nicht im Handelsregister steht, hat die Wahl, wenn die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, zwischen ordentlichem und Handelsgericht (Art. 6 Abs. 3 ZPO).

(70)     Früher konnte man die Verjährung durch eine Sühnebegehren unterbrechen. Diese Möglichkeit entfällt nun, wenn eine Handelsgerichtsstreitigkeit vorliegt (Art. 198 lit. f ZPO). Das mag bedauerlich sein, wenn man die Verjährung unterbrechen muss und eine Betreibung nicht möglich ist (Art. 135 OR).

(71)     Bei einem Streitwert über CHF 100‘000 kann man im gegenseitigen Einverständnis direkt an das obere Gericht gelangen (Art. 8 ZPO).

(72)     Verfahrensgrundsätze, wie Handeln nach Treu und Glauben, rechtliches Gehör und Prozessvoraussetzungen sind in der ZPO einheitlich geregelt (Art. 52 ff. und Art. 59 ff.).

(73)     Bei fehlender Zuständigkeit oder falsch gewählter Verfahrensart hat man keinen Zeitverlust zu gewärtigen, wenn die Eingabe innert Monatsfrist richtig eingebracht wird (Art. 63 ZPO). Die Kosten für das falsch gewählte Verfahren trägt aber der Verursacher (Art. 104 ZPO). Wiederum gilt eine Ausnahme, diesmal für die besonderen gesetzlichen Klagefirsten nach SchKG (Art. 63 Abs. 3 ZPO): Achtung, bei den Klagen aus SchKG richtet sich die Nachfrist nach der jeweils kürzeren gesetzlichen Klagefrist. Sie beträgt nur zwanzig Tage bei der Aberkennungsklage (Art. 83 Abs. 2 SchKG), und gar nur zehn Tage bei der Lastenbereinigungsklage (Art. 140 SchKG) und bei der Arrestprosequierungsklage (Art. 279 SchKG). Art. 32 Abs. 3 SchKG wurde 2011 mit der neuen ZPO aufgehoben.

(74)     Neu ist die unbezifferte Forderungsklage möglich (Art. 85 ZPO). Der Kläger muss seinen Anspruch nach Abschluss des Beweisverfahrens beziffern oder nachdem er eine gewünscht Auskunft bekommen hat. Ein Mindestwert ist von Beginn weg zu nennen.

(75)     Das Beweisverfahren ist dreistufig: 1. Beweisauflage, 2. Beweisantretung und 3. Beweisabnahme. Überall dort, wo die Parteien nicht auf eine Hauptverhandlung verzichten oder der Sachverhalt klar und unbestritten ist oder eine reine Rechtsfrage zu entscheiden ist, kommt es zu einer Beweisverfügung. Dies gilt im ordentlichen und im vereinfachten Verfahren. Dagegen ist im summarischen Verfahren dafür kein Platz. Das ist ein traditioneller Schritt der aus der früheren Berner Zivilprozessordung stammt.

(76)     Die Beweisverfügung regelt die Beweisauflage durch das Gericht und die Beweisantretung durch die Parteien. Das Gericht sagt, wer was beweisen soll und mit welchen Mitteln. Dann liefern die Parteien den gewünschten Beweis. Die anschliessende Beweisabnahme kann auch delegiert werden (Art. 154 und 155 ZPO). Zulässige Beweismittel sind Zeugnis, Urkunde, Augenschein, Gutachten, schriftliche Auskunft, Parteibefragung und Beweisaussage (Art. 168 ZPO). Gemäss Gesetz gibt es keine eidesstattliche Erklärung oder schriftlich vorbereitete Zeugenaussage („witness statement“).

(77)     Das ordentliche Verfahren selbst ist in Schriftenwechsel, Vorbereitung der Hauptverhandlung und Hauptverhandlung gegliedert. Der Schriftenwechsel kann doppelt sein (Art. 225 ZPO). Theoretisch sind bis zu zehn Schriftenwechsel denkbar. Mit der Widerklage kann man die Überweisung an ein (höheres) Gericht erzwingen (Art. 224 Abs. 2 ZPO). Der Inhalt der Eingaben ist definiert (Art. 221 ZPO).

(78)     Das Gericht kann jederzeit eine Instruktionsverhandlung durchführen (Art. 226). Diese Verhandlung dient zwar der freien Erörterung des Prozessgegenstandes und der Ergänzung des Sachverhaltes. Letzteres kann aber auch dazu führen, dass die Parteien danach keine weiteren Tatsachen vorbringen dürfen (Art. 229 Abs. 2 ZPO). Wegen dieser sogenannten Novenschranke haben die Parteien vor der Instruktionsverhandlung sicherzustellen, dass Klarheit darüber herrscht, ob sie anschliessend noch weitere neue Tatsachen, eben Noven, vorbringen dürfen oder nicht. Ziel muss bleiben, nach einer Instruktionsverhandlung weitere Tatsachen entweder an der Hauptverhandlung oder in einem weiteren Schriftenwechsel uneingeschränkt vorbringen zu können. Abhängig von der Komplexität des Sachverhalts bieten die Gerichte in aller Regel dazu Hand.

(79)     Eine Instruktionsverhandlung wird in Zürich oft wie früher als Referentenaudienz durchgeführt. Der Referent gibt seien Einschätzung bekannt und versucht die Parteien zu versöhnen.

(80)     Wird nichts zum Sachverhalt ergänzt, kann ein zweiter Schriftenwechsel folgen. An der Hauptverhandlung können einzig dann letzte Ergänzungen vorgebracht werden, falls kein doppelter Schriftenwechsel erfolgt ist (Art. 229 Abs. 2 ZPO). Im März 2014 ist offen, ob ewig repliziert werden kann! Stichworte sind Stellungnahme und Replikrecht (dazu HUNSPERGER/WICKI, Fallstricke des Replikrechts im Zivilprozess und Lösungsvorschläge de lege ferenda, AJP 2013, S. 975).

(81)     Achtung gerade auch Nichtanwälte müssen selber alles nötige dazu beitragen, um den eigenen Anspruch zu belegen. Die Gefahr besteht, falls keine „soziale Untersuchungsmaxime“ (Art. 56 ZPO) wie etwa für Miete, Arbeitsrecht oder Konsumentenschutz gilt, dass man keine Hilfe vom Gericht bekommt (Art. 55 und 272 ZPO): Professionelle Organisation dürfen nicht allzu viel Hilfe vom Gericht erwarten. Seien Sie gut vorbereitet und noch besser dokumentiert. Achten Sie auf die Novenschranke, dann haben Sie viele Risiken bereits bewältigt.

(82)     An der Hauptverhandlung können also noch neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden, wenn sie sofort angezeigt werden. Das gilt aber nur noch für echte oder entschuldbar nicht früher vorgebrachte Tatsachen (unechte Noven, Art. 229 Abs. 1 Bst. a und b ZPO).

(83)     Auf die Parteivorträge folgt in der Hauptverhandlung die Beweisabnahme. Danach sind Schlussvorträge möglich (Art. 231 und 232 ZPO).

(84)     Die Parteien haben im ordentlichen Verfahren Anspruch auf die Durchführung einer Hauptverhandlung. Sie können aber gemeinsam integral oder teilweise darauf verzichten:

  • Integraler Verzicht (Art. 233 ZPO);
  • Verzicht auf erste Parteivorträge ((Art. 228 ZPO);
  • Verzicht auf Beweisabnahme (Art. 231 ZPO);
  • Verzicht auf Schlussvorträge (Art. 232 ZPO).

(85)     Nötig ist immer ein gemeinsamer Parteiantrag. Eine Partei kann nicht alleine auf einen Teil oder die ganze Verhandlung verzichten (Art. 233 ZPO).

(86)     Ein erster Parteivortrag erübrigt sich etwa nach einem zweiten Schriftenwechsel und/oder einer Instruktionsverhandlung.

(87)     Bei der Beurteilung von reinen Rechtsfragen erübrigt sich oft die Beweisabnahme.

(88)     Sind bei der Hauptverhandlung keine weiteren Beweismittel abzunehmen, entfällt dies Stufe und zugleich der Schlussvortrag der Parteien.

(89)     Schliesslich können die Parteien beantragen auf die mündlichen Schlussvorträge zu verzichten, um ihre Parteivorträge schriftlich zu halten, etwa für die Bewertung der abgenommenen Beweismittel zu bestrittenen Tatsachen.

(90)     Im vereinfachten Verfahren ist ein solcher Verzicht nur soweit denkbar (Art. 219 ZPO), als der Sachverhalt nicht rein mündlich vorgetragen (Art. 244 Abs. 1 ZPO) oder ermittelt wird (Art. 247 ZPO).

(91)     Die Klageänderung vor der Verhandlung ist bei geänderten oder neuen Ansprüchen im Zusammenhang mit dem eingeklagten Anspruch oder mit der Zustimmung der Gegenpartei möglich (Art. 227 ZPO). In der Hauptverhandlung ist die Klageänderung nur noch basierend auf neuen Tatsachen und Beweismitteln möglich (Art. 230 ZPO). Aus meiner Erfahrung rate ich, nicht zu lange mit der Substantiierung und damit der Begründung der Klage zuzuwarten, auch wenn man das dürfte. Kein Verfahrensbeteiligter mag taktische Überraschungen.

(92)     Das Gericht führt über jede Verhandlung Protokoll (Art. 235 ZPO). Erwähnenswert ist Art. 176 ZPO für Zeugeneinvernahmen. In der Praxis werden den Zeugen die Protokolle mit kurzer Frist zur Durchsicht für Richtigstellungen und zur Unterzeichnung zugesandt.

3.Vereinfachtes Verfahren

(93)     Bis zu einem Streitwert von CHF 30‘000 ist das Verfahren eine vereinfachtes. Gewisse Mietstreitigkeiten fallen immer in dieses Verfahren.

(94)     Vorbild war das beschleunigte Verfahren gemäss jetzt aufgehobenem Art. 25 SchKG.

(95)     Das vereinfachte Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass es mündlich oder schriftlich eingeleitet werden kann und grundsätzlich nur je ein Vortrag zugelassen wird. Die vereinfachte Klage muss nicht begründet werden (Art. 244 Abs. 2 ZPO). Verfügbare Unterlagen sind neben der Vollmacht und der Klagebewilligung einzureichen. Fehlt die Begründung, lädt das Gericht direkt zur Verhandlung. Bei Klagen mit Begründung setzt das Gericht Frist zur schriftlichen Stellungnahme (Art. 245 ZPO). Das Gericht hat generell eine gewisse Fragepflicht. Im Gespräch mit den Parteien klärt es ungenügende Angaben zum Sachverhalt (soziale Untersuchungsmaxime, Art. 247 Abs. 1 ZPO) und in vom Gesetz genannten Fällen erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amtes wegen (Art. 55 Abs. 2 und Art. 247 Abs. 2 ZPO).

(96)     Das Gericht trägt dafür Sorge, dass die Streitsache am ersten Termin erledigt werden kann (Art. 246 ZPO).

V.     Summarisches Verfahren, besonders für provisorische Rechtsöffnung

(97)     Wenn Sie aber ein rechtskräftiges Urteil oder eine schriftliche Schuldanerkennung besitzen, wählen Sie den Weg der Rechtsöffnung (Art. 251 und Art. 252 ff. ZPO). Bei Darlehen oder Kreditverträgen gilt etwa, dass Sie den Vertrag und die Bestätigung der Darlehens- oder Kredithingabe und eine Mahnung zeigen müssen, wenn der Schuldner in der Betreibung Rechtsvorschlag erhoben hat, um das summarische Verfahren wählen zu können.

(98)     Das Verfahren wird durch ein Gesuch eingeleitet (Art. 252 und Art. 130 ZPO). Viele Gerichte kennen dafür ein Formular. Derartige Formulare lassen sich auch für Verfahren vor Gerichten in anderen Gemeinden oder Kantonen einsetzen. Im Zweifel sollte man aber der Vorlage des jeweilig anzurufenden Gerichts folgen, um rasch zum Ziel zu kommen.

(99)     Als Beweismittel werden regelmässig nur Urkunden zugelassen. Ausnahmen dürfen das Verfahren nicht unnötig verzögern oder der Verfahrenszweck muss sie erfordern (Art. 254 ZPO). Bringen Sie einen wichtigen Zeugen notfalls mit. Ob er angehört wird, kann aber fraglich bleiben.

(100)   Das Gericht kann auch auf die Durchführung der Hauptverhandlung verzichten und aufgrund der Akten entscheiden (Art. 256 ZPO).

(101)   Ein Aktenentscheid ergeht oft bei Rechtsöffnungsverfahren. Ergänzend zur Rechtsöffnung sei auf die Art. 79 SchKG verwiesen. Für vollstreckbare Urteile wird die definitive Rechtsöffnung angestrebt (Art. 80 SchKG). Als Einreden werden nur Tilgung, Stundung oder Erlass geprüft. Besitzt der Gläubiger eine Schuldanerkennung so kann er die provisorische Rechtsöffnung verlangen. Mit der provisorischen Rechtsöffnung kann der Gläubiger nach Ablauf der Zahlungsfrist (Art. 69 Abs. 2 Ziffer 2 SchKG) die provisorische Pfändung oder die Aufnahme eines Güterverzeichnisses verlangen (Art. 83 SchKG). Scheitert er, muss er ins ordentliche oder beschleunigte Verfahren.

(102)   Das summarische Verfahren ist auch noch für andere Gesuche oder vorsorgliche Massnahmen vorgesehen, etwa für die Registrierung von Bauhandwerkerpfandrechten oder gerichtliche Verbote (Art. 248 lit. c ZPO) und die freiwillige Gerichtsbarkeit (meisst Einparteienverfahren).

VI.     Aberkennungsklage

(103)   Innert zwanzigTagen nach erteilter provisorischer Rechtsöffnung kann der Schuldner auf Aberkennung der Forderung gemäss Art. 83 Abs. 2 SchKG klagen. Die Aberkennungsklage ist das Gegenstück des Schuldners zur Forderungsklage des Gläubigers.

(104)   Zweck der Aberkennungsklage ist dem Schuldner ein letztes Verteidigungsmittel in die Hand zu geben. Er kann den Zustand der provisorische Rechtsöffnung verlängern (Art. 83 Abs. 3 SchKG) und die Überprüfung der materiellen Rechtslage im ordentlichen Verfahren verlangen.

(105)   Die Beweislast richtet sich unverändert nach Art. 8 ZGB. Der Schuldner hat aber den Vorteil, dass er jetzt alle Verteidigungsmittel vorbringen kann (Art. 150 ff. und 168 ff. ZPO). Dies im Gegensatz zum summarischen Rechtsöffnungsverfahren, wo der Urkundsbeweis die Regel ist (Art. 254 ZPO).

(106)   Der Aberkennungsprozess hemmt den Fristenlauf der viermonatigen Frist zum Erhalt der Werte gemäss Güterverzeichnis nach Art. 165 Abs. 2 SchKG (Art. 83 Abs. 4 SchKG) und der Gültigkeitsdauer des Zahlungsbefehls von einem Jahr (Art. 88 Abs. 2 SchKG).

(107)   Was wissen wir dazu aus dem Teil zum Schlichtungsverfahren (vorne III)? Richtig, gemäss Art. 198 ZPO entfällt das Schlichtungsverfahren. Angesichts der kurzen Frist von 20 Tagen (Art. 83 Abs. 2 SchKG) sollte der Schuldner die Aberkennung nicht erst erwägen, wenn er von der provisorisch erteilten Rechtsöffnung erfährt. Er darf bereits vorher auf Aberkennung klagen. Diese Klage wird mit erteilter Rechtsöffnung „eo ipso“ zur Aberkennungsklage (BGE 117 III 19). Die Beschwerde gemäss Art. 17 SchKG hat wenn überhaupt nur auf Antrag aufschiebende Wirkung (Art. 36 SchKG). Darauf sollte man sich beim letzten Verteidigungsmittel nicht verlassen.

(108)   Die provisorische Rechtsöffnung gegen welche sich die Aberkennungsklage richtet, wird nicht definitiv solange das Verfahren nicht entschieden ist. Das Verfahren der Aberkennungsklage ist ein Verfahren materiell-rechtlicher Natur. Es ist kein Rechtsmittel gegen den Entscheid, der die provisorische Rechtsöffnung gewährt. Rechtsmittel gegen den Rechtsöffnungsentscheid wäre die Beschwerde gemäss Art. 319 ZPO (Art. 309 Bst. b Ziffer 3 ZPO e contrario). Auch der ZPO-Beschwerde kommt gemäss Art. 325 Abs. 1 ZPO keine aufschiebende Wirkung zu.

(109)   Der Gerichtsstand liegt am Betreibungsort (Art. 83 Abs. 2 SchKG). Einlassung und Prorogation (Rechtswahl) sind zulässig.

(110)   Eine Widerklage ist zulässig, sofern die Voraussetzungen gegeben sind (Art. 94 und 224 ZPO). Das kann ein Mittel sein, das vereinfachte zum ordentlichen Verfahren zu machen, wenn der Streitwert der Widerklage gegen die Aberkennungsklage CHF 30‘000 übersteigt (Art. 224 Abs. 2 ZPO).

(111)   Das Verfahren selbst ist ordentlich oder vereinfacht. Dazu vorne IV.

(112)   Wird die Aberkennungsklage abgewiesen und die Forderung bestätigt, wird die provisorisch erteilte Rechtsöffnung definitiv. Wird die Forderung aberkannt, ist auch die Betreibung endgültig erledigt.

(113)   Zu beachten ist, dass gegen die definitive Rechtsöffnung keine Aberkennung gegeben ist. Gegen die definitive Rechtsöffnung kann immerhin und jederzeit im ordentlichen Verfahren geklagte werden, dass die Schuld nicht oder nicht mehr besteht oder gestundet ist (Art. 85a SchKG).

VII.      Rückforderungsklage (Art. 86 SchKG)

(114)   Derjenige der eine Nichtschuld bezahlt hat, weil er den Rechtsvorschlag unterlassen hat oder weil gegen ihn die Rechtsöffnung erteilt worden ist, kann innert Jahresfrist die bezahlte Nichtschuld zurückfordern (Art. 86 SchKG).

(115)   Vorteil dieses Verfahrens gegenüber der Bereicherungsklage (Art. 62 ff. OR) ist, dass der Erfolg einzig vom Nachweis der Bezahlung einer Nichtschuld abhängt (Art. 86 Abs. 3 SchKG).

(116)   Für alle Klagen gilt, dass bei gleichem Streitgegenstand und gleichen Parteien das Prinzip der „res iudicata“ einem zweiten Prozess in der gleichen Sache auch entgegen steht. Das ergibt sich aus der bereits erwähnten materiellen Rechtskraft eines bereits ergangenen Urteils (vorne IV.1). Die eben besprochene Aberkennungs- und die Rückforderungsklage aber auch alle anderen SchKG-Klagen stehen nicht beliebig zur Verfügung.

VIII.     Rechtsschutz in klaren Fällen

(117)   Der Rechtsschutz in klaren Fällen ist der sprichwörtliche kurze Prozess! Im Vordergrund steht hier der Besitzeschutz. Dazu zählen, die Herausgabe des geleasten Motofahrzeuges oder der gemieteten Heimkino-Ausrüstung oder die Rückgabe der Wohnung oder der Arbeitsgeräte nach Vertragsbeendigung.

(118)   Das Gericht gewährt gemäss Art. 257 ZPO im summarischen Verfahren Rechtsschutz in klaren Fällen, wenn der Sachverhalt unbestritten oder sofort beweisbar ist und (d.h. kumulativ) die Rechtslage klar ist. Dieses Verfahren hatte in diversen Kantonen Vorläufer, die als Verfahrens zur raschen Handhabung klaren Rechts oder als Befehlsverfahren bezeichnet wurden. Wichtige und häufige Anwendungsfälle dieser Verfahren betrafen die Herausgabe von Gegenständen oder die Ausweisung von Mietern.

(119)   Bei der Rücknahme eines Objektes ist etwa folgendes zu beachten: Art. 214 Abs. 3 OR sieht im Kaufvertrag bei Vertragsrücktritt wegen Verzuges des Käufers nur dann die Möglichkeit der Rückforderung der übergebenen Sache, wenn dies im Vertrag ausdrücklich so vorgesehen ist. Die Registrierung eines Eigentumsvorbehalts im Register am Wohnort des Schuldner ist sicher bei Investitionsgütern angezeigt (Art. 715 ZGB). Trotzdem kann die Aussonderung Schwierigkeiten bereiten, wenn Dritte allenfalls Retentionsrechte behaupten.

(120)   Grundlage für die Herausgabe von Gegenständen oder die Eigentumsrückübertragung (Vindikation) ist oft eine nicht oder schlecht erfpüllter Leasingvertrag. Die Sach- und Rechtslage dürft dann klar sein, wenn der Gläubiger Mahnungen, Fristansetzung und Kündigung vorlegen kann. Der Eigentümer des Leasinggegenstandes hat einen dinglichen Eigentums¬anspruch gemäss Art. 641 Abs. 2 Zivilgesetzbuch, ZGB, den er gerichtlich durchsetzen kann.

(121)   Die Ausweisung von Mietern stellt im Verfahren betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen einen weiteren wichtigen Anwendungsfall dar, kann aber auch im ordentlichen oder vereinfachten Verfahren verlangt werden, was jedoch länger dauert.

(122)   Heisst das Gericht das Begehren gut, verpflichtet es die beklagte Partei, das fragliche Mietobjekt sofort (oder innert einer gewissen Frist) zu übergeben oder zu räumen und der klagenden Partei ordnungsgemäss zu übergeben, verbunden mit einer Vollstreckungsanweisung an die zuständige Exekutivbehörde. Im Kanton Zürich ist das das Gemeinde- oder Stadtammannamt (§ 147 GOG, Art. 343 ZPO). Der Gemeindeammann im Kanton Zürich kann für die Wegnahme eine Kostenvorschuss verlangen und die Polizei zu Hilfe nehmen (§ 147 Abs. 2 GOG).

(123)   Dieser Prozess ist ein abgekürzter Erkenntnisprozess und weder ein vorsorgliches Massnahmenverfahren noch ein Vollstreckungsverfahren.

(124)   Rechtsschutz in klaren Fällen wird im summarischen Verfahren beurteilt (Art. 257 ZPO). Das Institut war bis 2011 in vielen Deutschschweizerkantonen Teil des sogenannten Befehlsverfahrens.

(125)   Das Verfahren ist als kurzer Prozess eine Option für die klagende Partei. Alternativ kann sie jederzeit auch den ordentlichen Prozessweg beschreiten (vorne IV).

(126)   Die Botschaft verweist explizit auch für Geldforderungen (Botschaft zur Schweizerischen  Zivilprozessordnung vom 28. Juni 2006 S. 131, nachfolgend Botschaft): „Im Unterschied zu seinen kantonalrechtlichen Vorgängern [steht das Rechtsschutzverfahren] auch Geldforderungen offen, denn auch ein Geldgläubiger soll in liquiden Fällen rasch zu einem definitiven Rechtsöffnungstitel kommen.“ (Klammerbemerkung hinzugefügt).

(127)   Der Rechtsschutz in klaren Fällen ist durchaus eine Alternative zur Rechtsöffnung, soweit der Sachverhalt unbestritten oder sofort beweisbar und die Rechtslage klar sind (Botschaft S. 132). Thema bei der Rechtsöffnung und beim Rechtsschutz in klaren Fällen bleibt, den Bestand der Forderung anhand von Urkunden im summarischen Verfahren zu belegen.

(128)   Die Rechtsöffnung gilt bekanntlich nur für die laufende Betreibung. Der Vorteil beim Rechtsschutz in klaren Fällen liegt im ebenso rasch erlangten Endurteil, das als Arresttitel gilt (Art. 271 Ziff. 6 SchKG) und vergleichbar einer provisorische Pfändung wirkt (Art. 83 SchKG).

(129)   Neben der Rechtsöffnung ergeben sich für den Gläubiger damit drei Wege zur Anerkennungsklage: Ordentliches oder vereinfachtes Verfahren (vorne IV.) oder der Rechtsschutz in klaren Fällen (zuvor VIII).

(130)   Mutige können nun auch den Arrest im „Befehlsverfahren“ erlangen (Art. 251 Bst. a und 257 ZPO), das neu mit „Rechtsschutz in klaren Fällen“ überschrieben ist. Bekanntlich ist ein definitiver Rechtsöffnungstitel gemäss Art. 271 Ziffer 6 SchKG seit 2011 auch ein Arrestgrund.

(131)   „Der Sachverhalt muss liquid, d.h. die Tatsachen müssen unbestritten oder sofort beweisbar sein (Bst. a). Die Beschränkung der Beweismittel ist hier sehr ausgeprägt. Selbst bei einer mündlichen Verhandlung sollte sich das Gericht auf Urkunden beschränken, denn im Zweifel ist die Angelegenheit in einem einlässlichen Prozess auszutragen. Denkbar ist auch ein Augenschein an einem mitgebrachten Objekt. Expertisen, Zeugen- sowie auch Parteibefragungen fallen hingegen grundsätzlich ausser Betracht.“ (Botschaft S. 132).

(132)   „Zudem muss die Rechtslage klar sein (Bst. b). Das ist nur der Fall, wenn sich die Rechtsfolge im Rahmen bewährter Lehre und Rechtsprechung ohne weiteres ergibt.“ (Botschaft S. 132).

(133)   „Die Gegenpartei ist anzuhören (Art. 253 ZPO). Wenn sie die Tatsachen bestreitet oder dem geltend gemachten Anspruch Einreden entgegensetzt, kann der schnelle Rechtsschutz nicht gewährt werden. Glaubhaftes Vorbringen der Einwände genügt – haltlose Behauptungen hingegen vermögen dieses Verfahren nicht aufzuhalten.“ (Botschaft S. 132).

(134)   Der eine Vorteil gegenüber der (provisorischen) Rechtsöffnung liegt darin, dass die Gutheissung des Gesuchs volle materielle Rechtskraft entwickelt. Einem späteren Prozess stünde die Einrede der „res iudicata“ entgegen. Die oft zum kantonalen Recht geäusserte Auffassung, dass einem Summarentscheid keine volle Rechtskraft zukommen kann, ist damit überholt.

(135)   Ein weiterer Vorteil liegt aber auch in den Rechtsfolgen beim Unterliegen. Sind Sach- und Rechtslage nicht liquide, kommt es nicht etwa zur materiellen Abweisung des Gesuches. Nein, das Gericht tritt nicht darauf ein (Art. 257 Abs. 4 ZPO). Die Klägerin kann also ohne Nachteil immer noch den ordentlichen Prozess beschreiten. Für die Alternative der provisorischen Rechtsöffnung dürfte in den Fällen derartigen Nichteintretens die Beweislage wohl etwas dünn sein. Ein geringes Restrisiko bleibt beim Gläubiger, wenn etwa der Schuldner durch Quittung die Zahlung belegt. In diesem Beispiel ist der Sachverhalt liquide und es ergeht ein Sachurteil, das in Rechtskraft erwächst, wenn der unterlegen Gläubiger dagegen nicht Berufung oder Beschwerde führt (sogleich IX).

(136)   Ein dritter Vorteil liegt in der Rückdatierung der Rechtshängigkeit. Dies ergibt sich meiner Meinung nach klar aus dem Wortlaut Art. 63 ZPO i.V.m. Art. 257 Abs. 3 ZPO, sofern die nicht liquide Klage innert Monatfrist erneut eingebracht wird. Inzwischen scheint diese klare Meinung in der Lehre allerdings umstritten (gleicher Meinung A. BRUNNER, D.GASSER, I. SCHWANDER, Kommentar ZPO, anderer Meinung allerdings ohne schlüssige Erklärung T. SUTTER-SOMM, F. HASENBÖHLER, C.LEUENBERGER, Kommentar ZPO, alle zu Art. 257).

(137)   Ist der Sachverhalt liquide und die Rechtslage klar, kann der Gläubiger beim Rechtsschutz in klaren Fällen fast nur gewinnen: 1. bei der materiellen Rechtskraft, 2. bei Unterliegen wegen Illiquidität durch den Nichteintritt des Gerichts und 3. weil die Rechtshängigkeit nach der hier vertretenen Auffassung bestehen bleibt bei firstgerechter Wiedereinbringung!

(138)   Ob es sich in der Praxis lohnt, den bekannten Weg der Rechtsöffnung zu verlassen und die Alternative des Rechtsschutzes in klaren Fällen zu beschreiten, muss im Einzelfall anhand der Unterlagen erwogen werden. In allen klaren Fällen ist der ordentliche Prozess vermeidbar.

IX.     Berufung und direkte Vollstreckung

  1. Berufung

(139)   Die Berufung ist bei einem Streitwert ab CHF 10‘000 zulässig, soweit sie nicht gemäss Art. 309 ZPO ausgeschlossen ist. Achtung, gerade in verschiedenen SchKG-Sachen ist die Berufung unzulässig:

„a. gegen Entscheide des Vollstreckungsgerichts;

b. in den folgenden Angelegenheiten des SchKG:

  1. Aufhebung des Rechtsstillstandes (Art. 57d SchKG),
  2. Bewilligung des nachträglichen Rechtsvorschlages (Art. 77 SchKG),
  3. Rechtsöffnung (Art. 80–84 SchKG),
  4. Aufhebung oder Einstellung der Betreibung (Art. 85 SchKG),
  5. Bewilligung des Rechtsvorschlages in der Wechselbetreibung (Art. 185 SchKG),
  6. Arrest (Art. 272 und 278 SchKG),
  7. Entscheide, die nach SchKG in die Zuständigkeit des Konkurs- oder des Nachlassgerichts fallen.“

(140)   Damit gibt es keine Berufung gegen Vollstreckungsrichterentscheide und in den eben erwähnten SchKG-Verfahren. Diese Liste nennt die Arresteinsprache nicht namentlich, verweist aber auf Art. 278 SchKG. Lesenswert deshalb ist Art. 278 Abs. 3 SchKG der explizit die Beschwerde gemäss ZPO als Rechtsmittel nennt. Damit unterliegt auch der Arresteinspracheentscheid nicht der Berufung aber der Beschwerde.

(141)   Für all diese SchKG Ausnahmen kann statt in der Berufung via Beschwerde (Art. 319 ZPO) die unrichtige Rechtsanwendung oder die offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung gerügt werden.

(142)   Die Berufung gegen erstinstanzliche Entscheide ist nur in finanziellen Streitigkeiten mit einem Streitwert über CHF 10‘000 als Rechtsmittel gegeben. Darunter hilft die Beschwerde, wie bei den Ausnahmen gemäss Art. 309 ZPO, allerdings ohne Suspensivwirkung (Art. 325 Abs. 1 ZPO).

(143)   Die Frist beträgt 30 Tage (Art. 311 ZPO) und für Summarentscheide 10 Tage (Art. 314 ZPO). Bei der Wechselbetreibung sind es gar nur 5 Tage (Art. 185 SchKG). Das kann im Einzelfall sehr knapp werden!

(144)   Berufungsgründe sind unrichtige Rechtsanwendung und falsche Feststellung des Sachverhaltes (Art. 310 ZPO).

(145)   Die Berufung hemmt die Rechtskraft im Rahmen der Anträge (Art. 315 ZPO).

(146)   Es kommt zum Schriftenwechsel mit Berufung, Berufungsantwort, eventuell Anschlussberufung (Art. 311 ZPO). Die Berufungsinstanz kann eine Verhandlung durchführen und Beweise abnehmen (Art. 316 ZPO). Noven sind beschränkt zugelassen (Art. 317 ZPO), soweit sie ohne Verzug präsentiert werden und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht früher anrufbar waren. Auch die Klageänderung ist beschränkt immer noch möglich (Art. 317 ZPO).

(147)   Die Berufungsinstanz kann den angefochtenen Entschied bestätigen oder neu entscheiden oder bei wesentlichen Unklarheiten an die Vorinstanz zur Ergänzung des Urteils oder der Vervollständigung des Sachverhalts zurückweisen (Art. 318 ZPO).

(148)   Neben oder nach Berufung und Beschwerde als Rechtsmittel in den Kantonen (Art. 319 ff. ZPO) sei an die Bundesrechtsmittel erinnert: Einheitsbeschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff. BGG). SchKG-Sachen sind diesen gleichgestellt (Art. 72 Abs. 2 Bst. a BGG).

  1. Beschwerde und weitere Behelfe

(149)   Nicht berufungsfähige Entscheide unterliegen wie schon erwähnt der Beschwerde (Art. 319 ff. ZPO), etwa gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen oder prozessleitende Verfügungen. Falsche Rechtsanwendung oder offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellungen können gerügt werden (Art. 320 ZPO). Neue Anträge und Beweismittel sind ausgeschlossen (Art. 326 ZPO).

(150)   Ergänzend seien noch die Revision und die Erläuterung und Berichtigung erwähnt. Bei der Revison soll ein rechtskräftiger Entschied überprüft werden, zu dem jemand im Nachhinein eine neue Tatsache oder ein neues Beweismittel entdeckt hat, das sich erheblich auf den Entscheid auswirkt. (Art. 328 ZPO). Bei der Erläuterung und Berichtigung geht es um die Klärung widersprüchlicher oder unvollständiger Entscheide oder die Korrektur wesentlicher Schreib- und Rechnungsfehler (Art. 334 ZPO).

  1. Direkte Vollstreckung und ähnliche Fragen

(151)   Die Vollstreckung von Geldforderungen und Sicherheitsleitungen richtet sich weiterhin nach dem SchKG, denn die ZPO enthält zwei explizite Vorbehalte für das SchKG im Summarverfahren und bei der Vollstreckung (Art. 269 und 335 ZPO). Entscheide auf Geldzahlung sind gemäss SchKG zu vollstrecken (Art. 335 Abs. 2 ZPO). Auch für superprovisorische und vorsorgliche Massnahmen gilt, dass sichernde Massnahmen bei der Vollstreckung von Geldforderungen dem SchKG vorbehalten sind (Art. 269 Abs. 1 Bst. a ZPO).

(152)   Der Vollstreckungsraum ist neu die Schweiz. Art. 79 Abs. 2 SchKG ist aufgehoben (Einrede gegen ausserkantonale Rechtsöffnung). Alle Verfügungen schweizerischer Verwaltungsbehörden, sind definitive Rechtsöffnungstitel (Art. 80 Abs. 2 Ziffer 2 SchKG).

(153)   Im Normalfall geht der Realexekution ein Vollstreckungsgesuch voraus. Neu und effizient kann der Antragsteller bereits im ordentlichen Verfahren verlangen, dass im Urteil direkt Vollstreckungsmassnahmen angeordnet werden (Art. 236 Abs. 3 ZPO). Dadurch erspart er sich ein separates Vollstreckungsverfahren, das in den Art. 335 ff. ZPO geregelt ist. Selbstverständlich hindert die Berufung im Rahmen der Anträge auch diese Vollstreckung (Art. 315 Abs. 1 ZPO). Aber die Rechtsmittelinstanz kann ihrerseits die vorzeitige Vollstreckbarkeit bewilligen (Art. 315 Abs. 2 ZPO). Es kommt also auf den wohlformulierten Antrag der um Vollstreckung ersuchenden Partei an! Dagegen muss man sich wohl mit einem Antrag auf superprovisorische Gewährung eines Vollstreckungsaufschubs zur Wehr setzen. Wird die vorzeitige Vollstreckung bewilligt, sind sichernde Massnahmen oder die Leistung einer Sicherheit zu erwägen (Art. 315 ZPO).

(154)   Von Vollstreckungsmassnahmen, die bereits im Urteil enthalten sind oder die im Vollstreckungsverfahren angeordnet werden, ist die Vollstreckung von superprovisorischen oder vorsorglichen Massnahmen (Art. 261 ff. ZPO) zu trennen. Auch vorläufige Geldzahlungen im engeren Sinne dürfen nur dann verfügt werden, wenn das Gesetz diese ausdrücklich vorsieht (Art. 262 Abs. 1 e ZPO), so zum Beispiel bei vorläufigen Unterhaltszahlungen für die Dauer des Scheidungs- (Art. 276 ZPO) sowie des Vaterschaftsprozesses (Art. 303 Abs. 1 ZPO) oder bei Abschlagszahlungen während eines Konkurses (Art. 237 ZPO und 325 ZPO; Art 237 und 327 SchKG).

(155)   Hat das urteilende Gericht Vollstreckungsmassnahmen angeordnet, wird der Entscheid direkt vollstreckt (Art. 337 ZPO). Die unterliegende Partei kann dagegen beim Vollstreckungsgericht die Einstellung verlangen (Art. 337 Abs. 2 ZPO).

(156)   Das heisst, für Pfändung (Art. 89 SchKG) und Arrest (Art. 271 SchKG) bleibt, abgesehen vom vereinheitlichten Zivilprozess, alles wie wir es vom SchKG her kennen, trotz direkter Vollstreckung.

(157)   Nicht zu unterschätzen ist, dass seit 2011 einheitlich gegen einen provisorischen Rechtsöffnungsentscheid nur die Beschwerde gegeben ist. Diese hat keine Suspensivwirkung. Damit ist der Rechtsöffnungsentscheid neu einheitlich und schweizweit sofort vollstreckbar und nicht erst nach Eintritt der Rechtskraft. Der Gläubiger kann gleichentags die provisorische Pfändung oder die Aufnahme eines Güterverzeichnisses verlangen (Art. 83 Abs. 1 SchKG).

(158)   Es gibt somit Fälle, in denen Rechtskraft und Vollstreckbarkeit zeitlich auseinander fallen: Bei der Berufung kann die Rechtsmittelinstanz die vorzeitige Vollstreckung des noch nicht rechtskräftigen Entscheids bewilligen (Art. 315 Abs. 2 ZPO und Art. 336 Abs. 1 Bst. b ZPO). Bei den ausserordentlichen Rechtsmittel, Beschwerde und Revision, hat die Rechtsmittelinstanz die Möglichkeit, die Vollstreckung aufzuschieben, obwohl der Entscheid bereits rechtskräftig ist (Art. 325 Abs. 2 und Art. 331 Abs. 2). Die Bescheinigung der Vollstreckbarkeit (Art. 336 Abs. 2 ZPO) ist für die direkte Vollstreckung gemäss Art. 337 ZPO unverzichtbar. Das Betreibungsamt kann die Bescheinigung verlangen, wenn der Gläubiger nach erteilter definitiver Rechtsöffnung das Fortsetzungsbegehren stellt. Die Bescheinigung ist vom Gericht auszustellen, das den zu vollstreckenden Entscheid getroffen hat (vgl. Botschaft S. 162 f.).

(159)   Auch der Konkursentscheid ist grundsätzlich sofort umzusetzen, da nur die Beschwerde dagegen offen steht (Art. 251 Abs. 1 Bst. a ZPO, Art. 309 Abs. 1 Bst. b Ziffer 7 ZPO).

(160)   Gegen die (Nicht-)Feststellung neuen Vermögens (Art. 265a Abs. 1 SchKG) gibt es neu kein Rechtsmittel mehr. Es bleibt innert 20 Tagen die Klage auf Bestreitung/Feststellung neuen Vermögens im vereinfachten oder ordentlichen Verfahren (Art. 265a Abs. 4 SchKG).

(161)   Unter Vollstreckungsgesichtspunkten sei abschliessend noch bemerk, dass neu jede öffentliche Urkunde einen definitiven Rechtsöffnungstitel darstellt (Art. 80 Abs. 1 bis SchKG, Art. 347 ff. ZPO). Dies unter Vorbehalt der gerichtlichen Beurteilung (Art. 352 ZPO). In diesem Punkt werden die Schweizer neu den Lugano-Staaten-Bürgern gleichgestellt (Art. 57 Ziffer 3 Lugano Übereinkommen, LugÜ). Einen wichtigen Vertrag notariell zu beurkunden, um die Vollstreckung zu erleichtern, macht neu durchaus Sinn (Art. 9 ZGB).

(162)   Die Vollstreckung allgemein ist in Art. 335 ff. ZPO geregelt. Wieder gilt die bereits erwähnte Ausnahme für Geldzahlung und Sicherheitsleitung zu Gunsten des SchKG (Art. 335 Abs. 1 Ziffer 2 ZPO). Örtlich zuständig ist zwingend das Gericht am Sitz der unterlegenen Partei, am Ort der Massnahme oder am Ort, wo der zu vollstreckende Entscheid gefällt worden ist (Art. 339 ZPO).

(163)   International sei an die Vollstreckung gemäss LugÜ erinnert, dort die Art. 38 ff. LugÜ. Lesenswert in diesem Zusammenhang auch die neue „Spezialbeschwerde“ gemäss Art. 327 Bst. a ZPO: Verweigerungsgründe werden mit voller Kognition geprüft. Diese Beschwerde gegen einen Entscheid des Vollstreckungsgerichts hat aufschiebende Wirkung, unter Vorbehalt des Arrests.

X.     Vorzeitige Verwertung

(164)   Die vorzeitige Verwertung ist für Fahrnis und dergleichen in Art. 124 SchKG und für Grundeigentum in 133 Abs. 2 SchKG geregelt. Das Inkrafttreten der ZPO 2011 hat daran nichts geändert.

(165)   Abzugrenzen ist die vorzeitige Verwertung von der ordentlichen Verwertung gepfändeter Gegenstände (Art. 122 SchKG) frühestens zehn Tage nach Eingang des Verwertungsbegehrens und im Konkurs nach der zweiten Gläubigerversammlung (Art. 252 SchKG). Davor ist die Verwertung vorzeitig. Kriterien sind also das eingegangene Pfändungsbegehren und die Durchführung der zweiten Gläubigerversammlung.

(166)   Ergänzend sei der Freihandverkauf erwähnt (Art. 130, 143b, 256, 323 und 324 SchKG) mit Zustimmung aller oder bei verfügbaren Markt- oder Börsenpreisen.

(167)   Worum geht es bei der vorzeitigen Verwertung: Auf Begehren des Schuldners (oder gemäss Praxis des Dritteigentümers eines Pfandes) oder im Ermessen des Betreibungsbeamten können bewegliche Sachen (Art. 124 SchKG) und Grundstücke (Legaldefinition: Art. 655 Abs. 2 ZGB: Liegenschaften, Selbständige ins Grundbuch aufgenommene Rechte, Bergwerke und Miteigentumsanteile daran; Art. 133 Abs. 2 SchKG) vorzeitig verwertet werden.

(168)   Zweck ist, einerseits dem Schuldner oder Pfandgläubiger durch seine Zustimmung zu ermöglichen, vorzeitig den besten Zeitpunkt für die Verwertung ihm bekannter Objekte zu bestimmen.

(169)   Daneben kann der Betreibungsbeamte im eigenen Ermessen jederzeit Gegenstände verwerten, die i) schneller Wertverminderung ausgesetzt sind, ii) unverhältnismässig kostspieligen Unterhalt erfordern oder iii) unverhältnismässig hohe Aufbewahrungskosten verursachen (Notverkauf gemäss Art. 124 Abs. 2, 156 Abs. 1 und 243 Abs. 2 SchKG). Stichworte sind Obst, Schnittblumen oder Fische, nicht aber Modeartikel oder Wertpapiere, trotz erkennbarer Kursverschlechterung. Für börsenkotierte Wertpapiere ist der Freihandverkauf der gangbare Ausweg.

(170)   Der Schuldner muss anregen und zustimmen oder der Gläubiger kann den Betreibungsbeamten darauf hinweisen. Das Amt entscheidet, es sei denn dass ein Prozess auf Herausgabe der gepfändeten Gegenstände läuft, dann hat der Richter darüber zu befinden.

(171)   Der Notverkauf wird als Erhaltungshandlung im Sinne von Art. 100 SchKG qualifizier und ist deshalb auch in den Betreibungsferien möglich.

(172)   Bei Gründstücken ist der Notverkauf ausgeschlossen (BGE 107 III 127 f.). Vereinzelt wurde die Meinung vertreten, dass nach Bereinigung des Lastenverzeichnisses ein Noteverkauf denkbar sein sollte (AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, Bern 2003, N 6 zu § 28). Für die vorzeitige Verwertung von Grundstücken ist neben dem Einverständnis des Schuldners die Zustimmung aller Grundpfandgläubiger nötig.

(173)   Wie immer kann gegen den Entscheid des Betreibungsbeamten etwa zum Notverkauf Beschwerde nach Art. 17 SchKG geführt werden (§ 83 GOG). Die Beschwerde hat, wenn überhaupt, nur auf Antrag hin aufschiebende Wirkung (Art. 36 SchKG). Mit anderen Worten, sind die Schnittblumen wahrscheinlich verkauft, bevor sich jemand dagegen wehren kann oder der Antrag auf Suspensivwirkung bewilligt ist.

XI.     Literatur

(174)   Die Präsentation hat Ihnen eine Übersicht über die verschiedenen Verfahren ermöglicht. Für Detailfragen wird auf die zahlreichen ZPO-Kommentare und die Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 28. Juni 2006, Sonderdruck oder BBl. 2006 7221 verwiesen.

XII.      Musteranträge

Forderung:

„Der Beklagte sei zur Bezahlung von CHF 10‘000 plus Zins von 5% seit 1. Januar 2011 plus Kosten von ABC zu verpflichten;“

mit/ohne:

„Es sei der Rechtsvorschlag vom XYZ in der Betreibung ABC des Betreibungsamtes ZÜRICH Kreis 1 zu beseitigen und die definitive Rechtsöffnung zu erteilen;“ (Variante: „provisorische“ Rechtsöffnung statt „definitive“);

Rat: Bei Verfahren nach vorgängiger Betreibung ist immer darauf zu achten, dass im Rahmen eines Vergleichs in der Sühneverhandlung oder am Gericht oder bei einer (Teil-) Anerkennung der Forderung durch den Schuldner der Rechtsvorschlag im Umfang dieser Anerkennung als zurückgezogen gilt und dies so auch im Vergleich steht.

Nichtbestand:

„Der Nichtbestand der Forderung des Beklagten im Betrag von CHF XYZ sei festzustellen und die Betreibung ABC des Betreibungsamtes ZÜRICH Kreis 1 sei aufzuheben;“

Aberkennung:

„Die Forderung des Beklagten im Betrag von CHF XYZ in der Betreibung ABC des Betreibungsamtes ZÜRICH Kreis 1 sei abzuerkennen und die Betreibung sei aufzuheben;“

Stundung:

„Die Stundung der Forderung des Beklagten im Betrag von CHF XYZ sei festzustellen und die Betreibung ABC des Betreibungsamtes ZÜRICH Kreis 1 sei einzustellen;“

Arrest:

„Sämtliche bei der ABC Bank, 8021 ZÜRICH gelegenen Vermögenswerte des Gesuchsgegners einzeln oder gemeinsam,

insbesondere das Konto-Nr. XYZ in CHF, alle dazugehörigen Unter- oder Nebenkonten und Depots, Safe- und Schrankfachinhalte und laufende und zukünftige Erträge daraus

seien als Sicherung bis zur Deckung der Arrestforderung von DEF nebst Zins zu 5% auf CHF DEF seit 1. Januar 2014 zu verarrestieren;“

Herausgabe:

„Der Gemeindeammann der Gemeinde ABC sei vom Gericht zu beauftragen, dem Schuldner das Auto (Marke, Typ, Immatrikulation, Stamm-Nummer etc.) wegzunehmen und der Antragstellerin zur Verfügung zu halten/übergeben.“

Abschliessend nicht vergessen:

„Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des Beklagten.“

Betreibungsregisterauszug:

Einen Betreibungsregisterauszug bekommen Sie gegen Interessennachweis bei jedem Betreibungsamt. (Art. 8a SchKG). Legen Sie einen Vertragsauszug bei, der die Parteien zeigt und bitten Sie die Kosten per Nachnahme oder Rechnung zu bezahlen. Danach können Sie besser einschätzen, wie säumig ein Schuldner wirklich ist.

Zahlreiche Formulare und Beispiele des Bundes zur neuen ZPO sind bei verschiedenen Gerichten abrufbar, etwa: www.bezirksgericht.tg.ch und dann Ort wählen und „Formulare“ anklicken oder auch bei jedem anderen Gericht, auch etwa für den Arrest.

Die vorstehenden Texte verstehen sich als Anregungen. Sie vermögen keinesfalls die sorgfältige Formulierung eines Rechtsbegehrens aufgrund der konkreten Umstände zu ersetzen.