Die Bundesversammlung hat am 18. Dezember 2020 im Wesentlichen folgende Änderungen des Erbrechts beschlossen, die am 1. Januar 2023 in Kraft treten.
- Im Falle des Todes eines Ehegatten während des Scheidungsverfahrens hat der überlebende Ehe-gatte kein Pflichtteilsrecht mehr. Im vorgenannten Fall kann ein überlebender Ehegatte auch keine Ansprüche aus einer ihn begünstigenden letztwilligen Verfügung des während des Scheidungsver-fahrens verstorbenen Ehegatten mehr geltend machen.
- Das schweizerische Recht erlaubt es Ehegatten, sich im Falle des ordentlichen Güterstandes der Errungenschaftsbeteiligung gegenseitig den sogenannten Vorschlag (Netto- Errungenschaft) im Todesfall zuzuweisen. Ob der zugewiesene Vorschlag bei der Berechnung der Pflichtteile des überlebenden Ehegatten und der gemeinsamen Nachkommen berücksichtigt werden soll oder nicht, war umstritten. Das neue Recht sieht nun vor, dass eine Vorschlagszuweisung bei der Berechnung der Pflichtteile der vorgenannten Personen unbeachtlich ist. Allerdings müssen sich nicht gemeinsame Kinder eine Vorschlagszuweisung unter neuem Recht nicht gefallen lassen, sofern ihre Pflichtteile dadurch verletzt werden.
- Der Pflichtteil der Nachkommen wurde von drei Vierteln des gesetzlichen Erbenanspruchs auf dessen Hälfte reduziert. Die Eltern haben künftig keinen Pflichtteilsanspruch am Nachlass ihrer Kinder mehr.
- Nach Ansicht des Bundesgerichts war unter bisherigem Recht eine lebzeitige Zuwendung des Erblassers bei Verstoss gegen einen früheren Erbvertrag nur dann anfechtbar, wenn er den Vertragspartner mit der lebzeitige Zuwendung schädigen wollte. Nach neuem Recht sollen lebzeitige Zuwendungen bereits der Anfechtung unterliegen, wenn sie mit den Verpflichtungen aus dem Erbvertrag nicht vereinbar sind, ohne dass dem Erblasser dabei eine Schädigungsabsicht nachgewiesen werden müsste.
- In sogenannt faktischen Partnerschaften lebende Menschen müssen ihre Lebenspartner weiterhin testamentarisch oder erbvertraglich begünstigen, wenn sie diese an ihrem Nachlass teilhaben wollen lassen.
Unternehmenserbrecht (ZGB)
- Erbinnen und Erben haben ein Recht auf Integralzuweisung eines Unternehmens im Rahmen der Erbteilung, wenn die Erblasserin oder der Erblasser keine diesbezügliche Verfügung getroffen hat. Die Gerichte könnten also einer Erbin oder einem Erben das gesamte Unternehmen zuweisen, wenn eine Erbin oder ein Erbe dies verlangt. Damit soll insbesondere die Zerstückelung oder Schliessung von Unternehmen verhindert werden.
- Der Vorentwurf ermöglicht einem Unternehmensnachfolger, von den anderen Erbinnen und Erben einen Zahlungsaufschub zu erhalten, namentlich um schwerwiegende Liquiditätsprobleme zu vermeiden.
- Zudem legt der Vorentwurf spezifische Regeln für den Anrechnungswert des Unternehmens fest, indem der Wert des Unternehmens zum Zeitpunkt der Übertragung und nicht mehr derjenige zum Zeitpunkt des Erbgangs massgeblich sein soll. Dabei unterscheidet der Vorentwurf ausserdem zwischen betriebsnotwendigen und nicht betriebsnotwendigen Vermögensteilen. Damit soll dem unternehmerischen Risiko Rechnung getragen werden, das die Unternehmensnachfolgerin oder der Unternehmensnachfolger auf sich nimmt; gleichzeitig werden die anderen Erbinnen und Erben hinsichtlich der Vermögensgegenstände, die sich ohne Weiteres aus dem Unternehmen herauslösen lassen, nicht benachteiligt.
- Der Vorentwurf führt einen verstärkten Schutz der pflichtteilsberechtigten Erbinnen und Erben ein, indem ausgeschlossen wird, dass ihnen ihr Pflichtteil gegen ihren Willen in Form von einem Minderheitsanteil an einem Unternehmen zugewiesen werden kann, wenn eine andere geeignete Erbin oder ein anderer geeigneter Erbe die Kontrolle über dieses Unternehmen ausübt. Fraglich ist schon heute, welche Kriterien die Eignung des Nachfolgers bestimmen sollen.
Internationales Erbrecht (6. Kapitel IPRG)
- Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 13. März 2020 die Vernehmlassungsergebnisse zu einer entsprechenden Revision des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) zur Kenntnis genommen und die Botschaft zuhanden des Parlaments verabschiedet. Der Entwurf vermindert das Risiko von Zuständigkeitskonflikten mit ausländischen Behörden, insbesondere im Verhältnis mit der EU.
- Mehrstaater mit Bezug zu pflichtteilsfreien Rechtsordnungen können – anders als unter dem geltenden Art. 90 IPRG – auch bei (bzw. trotz) schweizerischem Bürgerrecht das pflichtteilsfreie ausländische Recht wählen (Art. 91 Abs. 1 E-IPRG), was zwar subjektiv (pflichtteilsminimierend) «erwünschte», aber doch zu sachwidrigen Ergebnissen führen kann. Die neuen IPRG-Bestimmungen treten voraussichtlich am Januar 2023 in Kraft.
Steuerrecht (VStV)
Erbinnen und Erben sollen die Verrechnungssteuer auf Erbschaftserträgen in ihrem Wohnkanton zurückfordern. Diese Änderung der Verordnung über die Verrechnungssteuer hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 3. Februar 2021 beschlossen. Sie tritt auf den 1. Januar 2022 in Kraft.
Dr. Marc Weber