Inhaberaktien werden abgeschafft – Handlungsbedarf für Gesellschaften

Von Stefano Caldoro, caldoro@lanter.biz, +41 44 250 29 29

Am 27. September 2019 hat der Bundesrat beschlossen, das vom Parlament am 21. Juni 2019 verabschiedete „Bundesgesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke“ bereits auf den 1. November 2019 in Kraft zu setzen.

Handlungsbedarf

  1. Gesellschaften mit Inhaberaktien, welche die Voraussetzungen eines der beiden Ausnahmetatbestände erfüllen (börsenkotierte Gesellschaft oder Inhaberaktien als Bucheffekte), müssen bis zum 30. April 2021 den Eintrag des entsprechenden Ausnahmetatbestands beim Handelsregisteramt verlangen.
  2. Gesellschaften mit Inhaberaktien, welche die Voraussetzungen der Ausnahmetatbestände nicht erfüllen, ist es zu empfehlen, bis zum April 2021 die Inhaberaktien in Namenaktien umzuwandeln. Wollen diese Gesellschaften die Inhaberaktien behalten, müssen sie bis zum 30. April 2021 entweder die Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestalten (und sie bei einer Verwahrungsstelle in der Schweiz hinterlegen oder im Hauptregister eingetragen) oder mindestens einen Teil ihrer Beteiligungspapiere an einer inländischen Börse und anschliessend den Eintrag dieses Ausnahmetatbestands ins Handelsregister eintragen.
  3. Nach der Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien muss die Gesellschaft die Aktionäre ins Aktienbuch eintragen. Die Aktionäre, die ihrer Meldepflicht noch nicht nachgekommen sind, sind zu identifizieren und ins Aktienbuch einzutragen. Ohne Eintragung ins Aktienbuch bis zum 30. Oktober 2024 werden die Aktien nichtig.
  4. Alle Gesellschaften und Genossenschaften müssen ihre je nach Rechtsform notwendigen Verzeichnisse und Bücher (z.B. Aktien-/Anteilbuch, Verzeichnis der wirtschaftlich berechtigten Personen, Genossenschafterverzeichnis) und die entsprechenden Belege überprüfen bzw. korrigieren und den jederzeitigen Zugriff auf die Register sicherstellen.

Angesichts der möglichen Rechtsfolgen bei einem Verstoss (Organisationsmangel und strafrechtliche Sanktionen) sind diese Massnahmen erforderlich.

 

Überblick über die Neuerungen

A. Abschaffung von Inhaberaktien mit zwei Ausnahmen

Die Inhaberaktien werden grundsätzlich abgeschafft und sind nur noch in zwei Ausnahmefällen zulässig: (a) wenn die Gesellschaft Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert hat oder (b) wenn die Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestaltet und bei einer von der Gesellschaft bezeichneten Verwahrungsstelle in der Schweiz hinterlegt oder im Hauptregister eingetragen sind. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, muss die Gesellschaft den entsprechenden Ausnahmetatbestand im Handelsregister eintragen lassen.

B. Umwandlung in Namenaktien und Statutenänderung

Haben Gesellschaften am 1. Mai 2021 noch unzulässige Inhaberaktien, d.h. ohne Handelsregistereintrag eines Ausnahmetatbestands, so werden diese von Gesetzes wegen automatisch in Namenaktien umgewandelt.

Der Nennwert, die Liberierungsquote, die Eigenschaften in Bezug auf das Stimmrecht und die vermögensrechtlichen Ansprüche sowie die Übertragbarkeit der umgewandelten Aktien bleiben unberührt.

Die Handelsregisterämter werden aber die entsprechende Änderung (Umwandlung in Namenaktien) – zusammen mit der Bemerkung, dass die Belege vom Eintrag abweichende Angaben enthalten – von Amtes wegen in das Handelsregister eintragen. Darüber hinaus müssen die Gesellschaften bei der nächsten Statutenänderung die Statuten an die Umwandlung anpassen. Ohne diese Statutenanpassung wird jede sonstige Anmeldung zur Eintragung einer Statutenänderung von den Handelsregisterämtern zurückgewiesen.

Keine Statutenänderung ist bei Gesellschaften mit einem noch nicht eingetragenen Ausnahmetatbestand (börsenkotierte Gesellschaft oder Inhaberaktien als Bucheffekte) notwendig, wenn (i) die Generalversammlung beschliesst, die umgewandelten Aktien wieder in Inhaberaktien umzuwandeln (ohne die Anzahl, den Nennwert oder die Aktienkategorie zu ändern), und (ii) die Gesellschaft die Eintragung des entsprechenden Ausnahmetatbestand beim Handelsregisteramt verlangt.

C. Meldepflicht und Eintragung der betroffenen Aktionäre ins Aktienbuch

Nach der Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien trägt die Gesellschaft die Aktionäre, die ihre im bisherigen Recht vorgesehene Meldepflicht nach Art. 697i OR erfüllt haben, in das Aktienbuch ein.

Die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre, die ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen sind, ruhen und ihre Vermögensrechte verwirken während der Dauer der Nichtanmeldung (vgl. Art. 697m OR). Die Aktionäre können innert fünf Jahren nach Inkrafttreten der neuen Bestimmungen, d.h. bis zum 30. Oktober 2024, beim Gericht ihre Eintragung in das Aktienbuch beantragen. Dafür sind die vorgängige Zustimmung der Gesellschaft und der Nachweis der Eigenschaft als Aktionär erforderlich.

D. Nichtigkeit der Aktien und Entschädigung

Wird innerhalb dieser Frist kein Antrag auf Eintragung in das Aktienbuch gestellt, so werden die betroffenen Aktien am 1. November 2024 von Gesetzes wegen nichtig und der betroffene Aktionär verliert alle mit den Aktien verbundenen Rechte. Die nichtigen Aktien werden durch eigene Aktien der Gesellschaft ersetzt. Die gesetzlichen Bestimmungen über eigene Aktien (Art. 659 ff. OR) sind anwendbar; die Gesellschaft muss den über den Schwellenwert von 10% eigener Aktien hinausgehenden Anteil veräussern oder durch Kapitalherabsetzung vernichten.

Ein Aktionär, dessen Aktien ohne eigenes Verschulden nichtig geworden sind, kann unter Nachweis seiner Aktionärseigenschaft zum Zeitpunkt des Eintritts der Nichtigkeit der Aktien innert zehn Jahren nach diesem Zeitpunkt gegenüber der Gesellschaft einen Anspruch auf Entschädigung geltend machen. Die Entschädigung entspricht dem tieferen der folgenden Werte: (a) dem wirklichen Wert der Aktien im Zeitpunkt der Umwandlung in Namenaktien oder (b) dem wirklichen Wert der Aktien im Zeitpunkt der Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs. Die Entschädigung ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Gesellschaft nicht über das erforderliche frei verwendbare Eigenkapital verfügt.

E. Änderungen bezüglich der Meldepflicht der wirtschaftlich Berechtigten

Über die Abschaffung der Inhaberaktien und die diesbezüglichen Übergangsbestimmungen hinaus sieht die neue gesetzliche Regelung Präzisierungen zur Meldepflicht der wirtschaftlich Berechtigten vor.

Bereits gemäss der heutigen Regelung muss derjenige, der allein oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Aktien einer nicht kotierten Gesellschaft (AG oder GmbH) erwirbt und dadurch den Grenzwert von 25 Prozent des Kapitals oder der Stimmen der Gesellschaft erreicht oder überschreitet, muss der Gesellschaft innert Monatsfrist den Namen und die Adresse der natürlichen Person melden, für die er letztendlich handelt (wirtschaftlich berechtigte Person). Bei einer solchen Beteiligung durch eine juristische Person oder Personengesellschaft gelten nach der neuen Regelung diejenigen natürlichen Personen als „wirtschaftlich berechtigt“, die diese juristische Person oder Personengesellschaft in sinngemässer Anwendung von Art. 963 Abs. 2 OR kontrollieren (Mehrheit der Stimmen im obersten Organ; Recht auf Bestellung/Abberufung der Mehrheit der Mitglieder des obersten Leitungsorgans; Beherrschender Einfluss aufgrund der Statuten, der Stiftungsurkunde, eines Vertrags oder vergleichbarer Instrumente). Gibt es keine solche Person, muss der Aktionär diesen Umstand der Gesellschaft melden.

Wenn der meldepflichtige Gesellschafter eine börsenkotierte Kapitalgesellschaft ist oder von einer solchen Gesellschaft kontrolliert wird oder eine solche Gesellschaft kontrolliert, muss er nur diesen Umstand sowie die Firma und den Sitz der börsenkotierten Kapitalgesellschaft melden.

Darüber hinaus legt das Gesetz neu eine Frist von drei Monaten für die Meldung von Änderungen bei Namen und Adresse des wirtschaftlich Berechtigten an die Gesellschaft fest.

Rechtfolgen bei Verstössen

Organisationsmangel

Wenn (a) eine Gesellschaft am 1. Mai 2021 noch unzulässige Inhaberaktien hat oder (b) eine Gesellschaft bzw. Genossenschaft bereits ab dem 1. November 2019 die je nach Rechtsform notwendigen Verzeichnisse (z.B. Aktien-/Anteilbuch, Verzeichnis der wirtschaftlich berechtigten Personen, Genossenschafterverzeichnis) nicht vorschriftsgemäss führt, liegt ein Organisationsmangel vor (Art. 731b OR). Das angerufene Gericht kann eine Frist zur Herstellung des rechtmässigen Zustands oder die Auflösung und konkursamtliche Liquidation der Gesellschaft/Genossenschaft anordnen.

Strafrechtliche Sanktionen

Mit Busse wird der Aktionär bestraft, der vorsätzlich den Meldepflichten zu den wirtschaftlich Berechtigten nicht nachkommt (einschliesslich der Meldung von Änderungen von Namen und Adresse).

Auch auf Seiten der Gesellschaft/Genossenschaft wird mit Busse bestraft, wer vorsätzlich die notwendigen Verzeichnisse (z.B. Aktienbuch, Verzeichnis der wirtschaftlich berechtigten Personen, Genossenschafterverzeichnis) nicht vorschriftsgemäss führt oder die mit der Registerführungspflicht verbundenen gesellschaftsrechtlichen Pflichten (z.B. Aufbewahrung von Belegen, Sicherstellung des jederzeitigen Zugriffs auf die Register) verletzt.