Digitalisierung wandelt den Handel

von Dr. iur. HSG Christian Alexander Meyer, licencié spécial en droit européen ULB; Rechtsanwalt und Schiedsrichter

Hört denn das nie auf? Mitte der 90er Jahre fragte ein Teilnehmer an einer Veranstaltung eines Computerherstellers, wann denn die Digitalisierung zu Ende sei. Soweit sind wir noch nicht. Sicher ist aber, dass der Handel und der Vertrieb von der Digitalisierung in einem Ausmass betroffen sind, das so wohl noch vor zehn Jahren kaum absehbar war.

Strukturveränderung

Beim Grossverteiler Migros in der Schweiz brechen die Gewinn 2016 deutlich ein. Media Markt verkleinert seine Verkaufsflächen, der Herrenausstatter an der Ecke macht zu, das Quartierrestaurant wird von Starbucks verdrängt. Der Jeansshop lässt die Kunden nur noch ohne Produktetiketten in die Garderobe zum anprobieren. Erotikmärkte schliessen grosse Teile ihrer Filialnetze in der Schweiz. Den typischen Mercedes–Kunden gibt es nicht mehr. Noch kann die Schweizer Post ihre Grosskunden im Onlinehandel vom Alleingang für den Vertrieb abhalten. Telekommunikationssysteme, Businesssoftware, Laser– und Sensortechnologien sind bald soweit, dass die Produkte selber zum Kunden fliegen. Aber bereits Newcomer wie Uber werden in Asien durch Startups wie Grab Taxi Holdings im Markt hart bedrängt. Viele wollen vieles nur noch Teilzeit besitzen („shared economy“) oder schlicht den effektiven Gebrauch bezahlen („pay per use“). „Dynamic pricing“ beraubt jede Preisliste ihres Sinns.

Ohne digitale Kompetenz geht nichts

Mit „Digitising European Industry“ will die EU einen „Digital Single Market“ (DSM) in Europa schaffen. So werden 90 Prozent der Arbeitsplätz in naher Zukunft digitale Kompetenz erfordern. Heute haben aber ein Drittel aller Arbeitnehmer in Europa keine oder nur ungenügende digitale Kompetenzen.

Hoher Anpassungsdruck

Der Schweizer Bauer ist ein inverser Mengenanpasser, wenn der Milchpreis sinkt produziert er mehr. Ökonomen bezweifelten diesen Ansatz immer schon. Genügt es also für einen Vertriebspartner, einfach eine optimierte Internetpräsenz zu haben, damit der Konsument ihn findet? Viele glauben an die Allmacht einer optimierten Google-Auffindbarkeit oder gut patzierte Werbung etwa bei Youtube oder anderen geeigneten Plattformen mit hohen Besucherfrequenzen. Das mag spontan richtig sein. Aber bereits heute kann ein Trend innert weniger Stunden jede noch so gut geplante Strategie kurzfristig zunichte machen. Bereits macht sich Boykott von Internet-Plattformen breit und wird zum Problem für die Plattformbetreiber. Denn wenn die eigene Werbebotschaft neben extremistischen Inhalten aufpoppt, ist das weder dem Firmen- noch dem Produkteimage förderlich.

Big Data und gläserne Konsumenten

Grosse Anbieter im Vertrieb wie Amazon oder Migros in der Schweiz suchen ihr Glück im gläsernen Konsumenten, soweit das der Datenschutz erlaubt oder die Konsumentinnen zustimmen. Der Anbieter, der „Big data“ beherrscht, unterscheidet nicht zwischen Bedürfnissen des täglichen, wöchentlichen oder jährlichen Bedarfs. Er spricht den Konsumenten zielgerichtet auf sein Bedürfnis an, zu einem Zeitpunkt in dem diesem selbst das Bedürfnis gar noch nicht bewusst ist – früher waren Gedanken zollfrei. Das ganze zum dynamischen Preis, der die Kaufkraft der gläsernen Konsumentin genau trifft!

Kurzlebigkeit

Mehr Werbung bei Google oder Amazon zu schalten bei wegbrechenden Detailhandelsumsätzen ist kostspielig und der Erfolg offen. „Big data“ kann der kleine Importeur, Agent oder Herrenausstatter alleine nicht bewältigen. Wo findet der Händler noch die langfristig tragfähige einzigartige Wettbewerbsstellung, für die ihn der Kunde begehrt und sucht?

Tetra Pak, Hewlett Packard oder Nespresso haben ihr Glück im „Tying“ zwischen Maschine und Verbrauchmaterial gefunden. Aber lässt sich das Modell auf alle übertragen? Elektroautomobile haben kaum Wartungsbedarf.

Eventmarketing

Also muss es der Zirkus sein. Der Einkauftempel wird zum Event. Der Vertriebspartner zum Clown. So kommen die Leute in die Geschäfte. Allein etwas kaufen können sie dort nicht mehr. Denn der Aussteller, das gezeigte Gut, ist unverkäuflich.

Innovation

Bei der Suche nach neuen Geschäfts- und Vertriebsideen muss man immer schneller und immer häufiger liebgewonnene Gewohnheiten aufgeben und ausgetreten Pfade verlassen. Vielleicht hilft dabei die Kombination von „Hipsters, Hackers“ und „Hustlers“ in einem Innovationsteam. Die Idee kommt aus dem „nahen EU-Ausland“ und entstand in London bereits vor ein paar Jahren. Der „Hipster“ bringt das kreative Design und den Coolness Faktor, der „Hacker“ setzt die Machbarkeit aufgrund der technischen Möglichkeiten und der „Hustler“ findet den richtigen Weg, die Idee zu verpacken und in der geeigneten Vertriebsform zu den Massen zu tragen.

Nein, diese Suche hört nie auf.

Wir beraten und begleiten Sie gerne. Falls Sie Fragen zum Daten- oder Geheimnisschutz, zum Handel mit oder zum Kauf von Daten für Ihre Geschäftsbedürfnisse oder zum vertrauensvollen Umgang mit Datensammlungen und zur erforderlichen Compliance haben, wenden Sie sich an Dr. Christian Alexander Meyer.